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Drehbuch: David Cronenberg
Schnitt: Ronald Sanders
Kamera: Mark Irwin
Schauspieler*innen: Stephen Lack, Jennifer O’Neill, Patrick McGoohan, Michael Ironside
Land: Kanada
Sprache: Englisch
Länge: 1h43min
Genre: Science-Fiction, Horror
„Wenn Blicke töten könnten…“ – ein altbekanntes Sprichwort, das die beunruhigende Vorstellung impliziert, die Intensität eines dich fixierenden Augenpaares käme einer Exekution gleich; zumindest im bildlichen Sinne. Jeder Blick entspringt jedoch einem Impuls, der vom Gehirn meist in Form eines Gedankens ausgelöst wird. David Cronenberg treibt diesen Prozess in einem seiner sagenumwobenen Werke des Body-Horrors auf die Spitze, wobei der nicht gerade subtile Titel es eigentlich schon verrät: In Scanners – Ihre Gedanken können töten können Gedanken tatsächlich töten.
Das Konzept von Menschen mit telepathischen Kräften – sogenannte „Scanner“ -, die den Rest der normalen Population unterdrücken wollen, ist auf dem Papier sehr einladend und insbesondere die adrig-faserigen Konfrontationen manifestieren die wuchernde Reputation des Regisseurs. Allerdings steht die Idee nie gleichbedeutend zu ihrer Ausführung, denn gerade bei ihr wird dieser Klassiker seinem Ruf nicht wirklich gerecht.
Juckende Köpfe
Beginnen wir aber mit dem Merkmal, welches Interessenten von Cronenbergs Filmographie am meisten reizt, über jenes lassen sich nämlich nichts als lobende Worte verlieren. Der Body-Horror kitzelt regelrecht an der Magenwand, schüttelt selbige in Vibrationen und provoziert einen Kampf, das Mittagessen weiterhin zu konservieren und nicht gen Speiseröhre hoch fließen zu lassen. Man verzeih bitte die detailgetreue Beschreibung eines unschönen Aktes, aber in Bezug auf das Gesehene liefert er das ideale Beispiel.
Wenn schwitzende Gesichter rot anlaufen, geweitete Pupillen vom Weiß der Lederhaut überschwemmt werden und sich der Körper vor Schmerzen krümmt, ist es unangenehm. Wenn aber der Schädel explodiert und Blutstrahlen und Fleischbrocken in alle Himmelsrichtungen fliegen, ist es abscheulich.
Zwar werden ebenjene Ekelmomente sparsam in das Drehbuch eingewoben, an ihrer Eindrücklichkeit etwas ändern, tut die Dosierung des Body-Horrors aber nicht. Krampfadern bilden sich, schwellen auf ihre doppelte Breite an und bringen sämtliche Gefäße um sie herum zum Platzen. Praktische Effekte dieses Charmes und abstrakten Gewaltgrades bekommt man eben nur aus dem Hause Cronenberg – Brandon Cronenberg ist hiermit auch gemeint -, nicht häufig ist man zeitgleich derart fasziniert und angewidert. Visuell wird der Grusel bravourös dargestellt, der Film krankt eher in seinen erzählerischen Zellen.
Kratzige Münder
Dabei ist nicht einmal die Geschichte selbst das Problem, deren Ausgangslage ist sogar richtig spannend. Während die unheilvolle Revolution sich unsichtbar im Hintergrund rüstet, versucht eine wissenschaftliche Organisation durch das Training und Leiten ihrer eigenen Scanner besagtem Unheil entgegenzuwirken. Ein Aufeinandertreffen mentaler Machtspiele wird angedeutet und aufgebaut, dessen Potenzial in der Theorie keine Grenzen gesetzt sind. Handlungstechnisch werden jenem Potenzial allerdings über eine Vielzahl fader Dialoge und abgespeckter Spannungsmomente harte Steine in den Weg gelegt.
Manch einen mag es überraschen, dass Cronenbergs Filme einer gewissen Entschleunigung unterliegen. Von einem Spektakel im herkömmlichen Verständnis ist selten zu sprechen, nichtsdestoweniger generiert er aus seinem Horror eine Symbolik, welche die Trägheit um eine einlullende Atmosphäre bereichert. Bei Scanners fehlt aber dieser metaphorische Anspruch, der das langsame Szenario aufwerten könnte. Nur kurz wird ein allegorischer Ansatz auf psychologische Krankheiten gewagt, danach aber nicht mehr zu Ende gedacht.
Somit bleibt inmitten der tollen Prämisse nach einem grandiosen Höhepunkt zu Beginn und vor einem noch grandioseren Höhepunkt am Ende in erster Linie eines: Leerlauf. Den Charakteren wird auch bei zunehmender Rivalität der Instanzen keine Ambivalenz zugetraut, was durch das antriebslose Schauspiel von Hauptdarsteller Stephen Lack umso stärker auffällt. Beispielsweise ist in einer Szene, wo ihm die Ausmaße seiner Kräfte bewusst werden und welchen Schaden er bereits sich und anderen zugefügt hat, nicht eine Emotion von seinem Gesicht abzulesen.
Dies stellt bei einem Großteil des Ensembles einen Dauerzustand dar. Hölzerne Wortgefechte folgen auf noch mehr Worte und ersticken sämtliche Tragweite davon, was aus der Geschichte hätte werden können. Für den popkulturellen Eindruck auf das Genre von Science-Fiction-Horror und das hervorragende Handwerk, ist Scanners einen Blick wert. Gedanken entlockt dieses Werk einem kaum, also ist jener Blick alles, was bleibt – und Blicke können bekannterweise töten.
SCANNERS – IHRE GEDANKEN KÖNNEN TÖTEN IST AKTUELL (STAND: 11. FEBRUAR 2024) BEI MUBI VERFÜGBAR
5.0 Punkte
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.