Ende Oktober ist die Hochsaison für Hexen, Gespenster, Skelette, Werwölfe und Geister. Genau so ist es auch in den 60er Jahren in der kleinen Stadt, in der Scary Stories to Tell in the Dark spielt. Eine kleine Gruppe an Freunden, zu der auch Stella (Zoe Colletti) gehört, zieht wie immer an Halloween verkleidet um die Häuser, bis sie sich entscheiden, ein verlassenes Spukhaus zu erkunden, das einst zu einer der Gründerfamilien der Kleinstadt gehörte, über die unschöne Gerüchte und Geschichten erzählt wird. Im Keller des Hauses finden sie ein Buch der Tochter der Familie, voll mit furchteinflößenden Gruselgeschichten…
Obwohl der Regisseur von Scary Stories to Tell in the Dark, André Øvredal, für kleine kreative Perlen wie Troll Hunter und The Autopsy of Jane Doe verantwortlich ist, wird es wohl eher der Name eines der Produzenten sein, der bei so Einigen Interesse auslösen könnte: Guillermo del Toro. Der Mexikaner ist verantwortlich für Publikums- und Kritikerlieblinge wie Pans Labyrinth, The Shape of Water oder Hellboy. Del Toros Handschrift war schon immer seine lebhafte Fantasie, die er mit beeindruckenden Kostümen und Masken auf die Leinwand gebracht hat. Obwohl ich kein großer Fan von ihm bin, ist Del Toro hier allgegenwärtig, man weiß von Anfang bis Ende: Okay, hier war Guillermo del Toro beteiligt. Das ist aber in diesem Fall nicht negativ gemeint, im Gegenteil, die gesamte Ausstattung ist die mit Abstand größte Stärke des Films. Der Ideenreichtum, den die Produktions-Designer hier an den Tag legen, ist großartig. Was mit Wesen klassischer Lagerfeuergeschichten wie laufenden Vogelscheuchen beginnt, ist im Laufe des Films besser beschrieben als abstrus, diffus und abstoßend. Das ist in der Praxis dann auch so gut umgesetzt, dass die Monster schlicht furchteinflößend sind. Als großer Lichtblick stehen sie aber in einem sonst leider nicht mehr als durchschnittlichen Film ziemlich alleine da.
Denn so toll all diese Monster visuell auch sind, stecken in einem Horrorfilm auch noch so einige andere Elemente. Und da schwächelt Scary Stories. Angefangen bei den Charakteren, haben wir einen kindischen Loser als Comic Relief, einen stets rationalen und logikbeschwörenden Verklemmten und ein unbeliebtes, aber im Endeffekt perfektes Mauerblümchen. Keine dieser Figuren wächst in den circa 100 Minuten über seinen Stereotyp hinaus, sie bleiben immer in ihren Mustern und sind dadurch dann auch in ihren Handlungen höchst vorhersehbar. Immerhin hat die Protagonistin das Glück, von der sympathischen Zoe Colletti gespielt zu werden, sodass man mit ihr wenigstens etwas mitfiebert. Ihr gibt man auch als einziger Figur zumindest den Hauch von Tiefe mit einer Geschichte versuchter Tragik um ihre Eltern (Dean Norris, der ihren Vater spielt, wird übrigens sträflich unterbenutzt!), das spielt aber nur eine so kleine Rolle, dass es eher vernachlässigbar ist.
Nicht nur bei den Figuren ist das Drehbuch gefangen in den üblichen Genre-Konventionen, sondern auch beim Plot selbst. Ein großes Problem muss das nicht sein, auch altbekannte und vorhersehbare Geschichten können so gekonnt inszeniert werden, dass das Konventionelle in den Hintergrund rückt. Ist hier aber eben nicht so. Stattdessen fällt Øvredal in jede Falle, in die ein moderner Horrorfilm nur so fallen kann. Der Film hat letztendlich vier bis fünf Spannungsspitzen, und so ziemlich jede dieser Höhepunkte wird mit dem lausigsten Stilmittel aufgelöst, den man so kennt: Der schlechte Jump-Scare. Das ist lahm und war vor allem einfach nicht nötig. Denn zumindest ab und zu schafft man es, wirklich eine Gruselstimmung aufzubauen. Wenn nicht das, dann zumindest eine “Das ist alles ziemlich ekelhaft und unangenehem, ich will hier weg”-Stimmung, die zwar nie wirklich Gefahr vermittelt, aber gerade für Horror-Anfänger doch im Ansatz effektiv sind. Da immer wieder den Notausgang mit Jump Scares zu nehmen, muss einfach nicht sein. Dazu kommt, dass die mehreren Einzelgeschichten, über die der Film erzählt wird, stets sehr episodisch wirkt, das Drehbuch schafft es nicht wirklich, diese gekonnt miteinander zu verbinden und wirklich Kohärenz aufzubauen. Das nimmt dem Film immer wieder an Energie, denn nach jeder oben erwähnter Spannungsspitze fällt man erst wieder in ein ziemliches Spannungsloch, ohne dass ein richtiger Flow entstehen kann.
Bei all dieser fundamentalen Kritik versprüht Øvredals Werk zumindest am Anfang diesen nostalgischen Halloween- und 60er-Jahre-Vibe. Die kleine Gruppe Kids, die an Halloween um die Häuser zieht und sich Mutproben auferlegt, die Gruselgeschichten, die man sich unter der Decke oder am Lagerfeuer erzählt, um sich Angst zu machen… Es ist etwas, dass einen irgendwie heimisch fühlen lässt. Das schafft man hier – zumindest in den ersten 30 Minuten. Danach lässt man diesen Charme leider fallen und die Kids könnten genauso in 2019 herumrennen. Aber geschenkt. Letztendlich ist Scary Stories to Tell in the Dark durchschnittliche Horror-Kost, die handwerklich seine Stärken hat und auch einen gewissen Charme hat, sich sonst aber nicht wirklich aus modernen Horror-Konventionen befreien kann.
AB DEM 31. OKTOBER IN DEN DEUTSCHEN KINOS
Scary Stories to Tell in the Dark - Review