Das Jahrzehnt ist in weniger als zwei Monaten vorbei und die 20er Jahre beginnen. Nicht diese 20er, sondern die ein Jahrhundert später. Zehn Jahre dabei länger als man beim ersten Gedanken glaubt. Überlegt euch mal, was in dieser Zeitspanne alles passiert ist: Disney kauft ein sich schwertuendes Marvel für vier Milliarden Dollar und bastelt daraus das popkulturelle Phänomen der Dekade. Gleichzeitig haben wir den Aufstieg und den Fall mehrerer Versuche, miteinander verbundene Film-Universen zu schaffen, miterlebt. Bleiben wir aber beim Mäusekonzern, der sich für eine ähnliche Summe gleich noch Lucasfilm gekauft und das Star-Wars-Franchise krachend wiederbelebt hat. Das war’s immer noch nicht mit Disney, erst in diesem Jahr gliederte er für unfassbare 70 Milliarden Dollar auch noch 20th Century Fox in seine Reihen ein. Schon krass, wie sich ein Medienriese zum monströsen “Endgegner” der Branche entwickelt hat. Disney hat dieses Jahrzehnt einfach so gut wie alles am Massenmarkt bestimmt. Neben Disney haben wir eine Firma, die wahrscheinlich sogar noch mehr in unser aller Alltag angekommen ist. Ich rede natürlich von Netflix, der Streaming-Service ist aus den Leben der meisten von uns kaum noch wegzudenken. Und es war dieses Jahrzehnt, in dem Netflix erst so richtig gestartet ist und das Streaming-Thema völlig alleine (später dann mit freundlicher Unterstützung von Amazon) in den Volksmund gebracht hat. Es gibt noch so viel mehr. A24, das sich als Indie-Produktionsfirma in die Herzen der meist selbsternannten Cinephiles gespielt hat, zahllose Rassismus- und Sexismusdebatten, gleichzeitig aber die Geburt eines LGBTQ-freundlichen Kinos. Kaum denkbar wäre in den 00er Jahren noch ein The Danish Girl, ein Call Me by Your Name oder ein Black Panther gewesen. Zumindest in dieser Form. Dann gibt es da noch China, die mittlerweile so eine große Rolle auf dem Markt spielen, dass sich die Blockbuster-Produktionen nach dem Land im fernen Osten richten. Noch politischer: Die Me-Too-Debatte. So viel ist passiert, so viel hat sich verändert.
Aber vor allem eines gab es auch in diesem Jahrzehnt wieder viel. Filme. Und um die soll es hier gehen. Wenn ein Jahrzehnt wechselt, hat man gefälligst auch die Filme des Jahrzehnts zu ranken und die besten aufzuzählen. Das dachte ich mir so. Also habe ich mich hingesetzt und wochenlang über meine eigene perfekte Liste für die “besten” Filme der 2010er Jahre nachgedacht. Die Anführungszeichen sind dafür da, klar zu stellen, dass das natürlich rein subjektiv ist. Davon abgesehen, dass Film als künstlerisches Medium nur subjektiv bewertet werden kann und es somit keinen besten Film geben kann, bin ich als Hobby-Liebhaber eigentlich sowieso nicht dafür legitimiert, einen besten Film zu küren. 389 Filme der Jahre 2010-2019 habe ich gesehen. Dabei wurden über 100.000 veröffentlicht. Klar also, dass das hier nicht die definitive Liste ist. Stattdessen ist es meine definitive Liste. Ich habe mir viele Gedanken gemacht und bin mir mittlerweile ziemlich sicher, deshalb wird es ab heute einmal die Woche fünf Plätze genau dieser Liste geben. Einiges davon werdet ihr erwartet haben. Anderes wird vielleicht ein klein wenig überraschen.
20. Paterson (2016)
Regisseur: Jim Jarmusch, Laufzeit: 1h58min
Paterson ist ein Gedicht. Ein Appell daran, das zu honorieren, was man hat. Der Film selbst plätschert so vor sich hin, widerspricht jeglicher Spannungslehre und könnte fast schon als anti-dramatisch bezeichnet werden. Aber genau so soll das sein und genau dadurch kann Jim Jarmusch das vermitteln, das er vermitteln möchte. Denn anstatt die Routine eines monotonen Lebens zu verteufeln und nach Action und Abenteuer zu geifern, zeigt er uns das genaue Gegenteil. Im Laufe des Films erfreuen wir uns immer wieder an den scheinbar trivialen Dingen, die Paterson auffallen – ein Feuerzeug, ein Wasserfall, ein Gedicht. Paterson zeigt Liebe, Kreativität und Poesie in einer von Hektik und Schnellebigkeit bestimmten Welt. Eine Ode an die Alltäglichkeit.
19. Get Out (2017)
Regisseur: Jordan Peele, Laufzeit: 1h44min
Wie aus dem Nichts kam der Comedian Jordan Peele mit einem Genre-Diamanten daher, der perfekt in seine Zeit passt. Eine Horrorsatire über Rassismus, kurz nach der Wahl von Trump zum US-Präsidenten, in einer Zeit also, in der gerade in den USA das Thema wieder so groß war wie viele Jahre zuvor nicht mehr. Unglaublich geschickt verwebt Peele seine sozialsatirischen Elemente mit dem Horror-Genre. Er hat es wie kaum anderer Filmemacher zuvor geschafft, eine Balance zwischen Horror, Comedy und Satire zu halten. Genau zu den richtigen Zeiten lockert er seine Stimmung mit Gags wieder auf, während er die treffenden, beängstigenden Momente lange genug hält, um seinen Horror-Rahmen immer zu halten und dem Zuschauer den Spiegel vorzuhalten. Häufig verstörend, mit einem tollen Spannungsbogen und perfektem Timing ist Get Out eines der besten Genre-Mixes des Jahrzehnts.
16. Prisoners (2013)
Regisseur: Denis Villeneuve, Laufzeit: 2h33min
Der erste Auftritt auf dieser Liste des zumindest für mich wichtigsten Regisseurs der Dekade. Was als schon häufig behandelnde Entführungs-Geschichte anmutet, entpuppt sich als einer der spannendsten und atmosphärischsten Filme unserer Zeit. Dabei tritt die Frage, wer für die Entführung der beiden Kinder verantwortlich war, bisweilen immer weiter in den Hintergrund. Viel mehr geht es darum, wie man als Vater, dessen eigen Fleisch und Blut gekidnappt wurde, mit einem solchen Verlust umgeht. Und wie weit würde ein Polizist gehen, der für einen solchen Fall verantwortlich ist und weit über seine Grenzen hinaus gerät? Die Verzweiflung und Wut der beiden Protagonisten ist so authentisch und packend von Gyllenhaal und Jackman gespielt, dass man selbst stets kurz vor dem emotionalen Zusammenbruch steht. Dabei verliert Prisoners nie seine Geschwindigkeit, die manchmal fast betäubend hoch ist, strickt eine perfekt funktionierendes Drehbuch zusammen und liefert ein großartiges Ende ab.
17. The Social Network (2010)
Regisseur: David Fincher, Laufzeit: 2h1min
Selten bis nie erlebt man ein Bio-Pic, bei dem eine Fortsetzung mit das Spannendste wäre, das der Filmlandschaft passieren könnte. Was seitdem alles passiert ist, wie “unschuldig” Facebook und die ganze Internet-Landschaft damals noch war. Also David Fincher, bitte tu es. Er hat mit The Social Network nämlich das wohl beste Bio-Pic geschaffen, das man bisher sehen durfte. Ein perfektes Drehbuch führt uns durch die Entstehungsgeschichte des Facebook-Phänomens und durch das Leben eines genialen Arschlochs. Wo vergleichbare Filme einfach trocken Station für Station abhaken, weiß Fincher, dass er keinen Dokumentarfilm dreht und inszeniert Social Network packend, ohne Längen und emotional. Dabei offenbart er vor fast zehn Jahren wie Facebook es an die Oberfläche geschafft hat, und prognostiziert gleichzeitig, was daraus werden sollte. Ein Drama über Macht, Versuchung und das Arschloch sein, das nicht nur vieler verdienter Oscars beraubt wurde, sondern das jeder gesehen haben sollte.
16. Die Frau die singt – Incendies (2010)
F: Incendies, Regisseur: Denis Villeneuve, Laufzeit: 2h10min
Viele sprechen von Blade Runner 2049, Arrival oder eben Prisoners, wenn sie von Denis Villeneuve sprechen, aber sträflich selten wird Incendies erwähnt, mit sein bestes Werk. Villeneuves nihilistische Zeichnung des Menschen wird von Minute zu Minute unerträglicher, schlägt mit seiner realistischen, ehrlichen Inszenierung immer mehr aufs Gemüt, nur um mit einem der besten und verstörendsten Enden der Filmgeschichte aufzuwarten, das einen als Wrack zurücklässt. Incendies ist ein grausiges Märchen im mittleren Osten, handwerklich perfekt, erzählerisch auf den Punkt. Es ist einer dieser Filme, die nie wirklich Spaß machen, bei denen man aber auch nicht wegschauen möchte, die einen emotional auf den Boden bringen, bei denen man am Ende aber größer hervor geht. Ein Regisseur an der Höhe seines Schaffens.
Wie hat euch die Liste gefallen? Was wären eure Picks?