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Drehbuch: Oliver Stone, Zachary Sklar
Schnitt: Pietro Scalia, Joe Hutshing
Kamera:
Robert Richardson
Schauspieler*innen: Kevin Costner, Gary Oldman, Kevin Bacon, Sissy Spacek
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 3h9min
Genre: Thriller, Drama, History
Eine Kugel. Mehr als das benötigt es nicht, um eine Nation in tiefe Unsicherheit zu stürzen. Staatsanwalt Jim Garrison (Kevin Costner) zweifelt an der Schuld eines einzelnen Mannes, welcher mittels einer einzelnen abgefeuerten Kugel eines der berüchtigtsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit begangen haben und als Einzeltäter zur Rechenschaft gezogen werden soll: das Attentat auf den zum Zeitpunkt seines Todes amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, John Fitzgerald Kennedy.
Seit beinahe 60 Jahre streiten sich verbreitete Perspektiven schon um den heiß begehrten Platz als die eine, die den korrekten Tathergang widerspiegelt. Noch immer scheint die Motivation hinter dem Mord schleierhaft, ist sie in der Theorie doch mit einem riesigen Komplott als Rückgrat ausgestattet, dessen tatsächliche Dimensionalität nach wie vor ungeahnten Ausmaßes gleicht.
Oliver Stones Werk zum besagten Subjekt wurde trotz kommerziellen sowie rezeptionellen Erfolges von einigen Stimmen kritisch beleuchtet, da er sich historischer und informativer Freiheiten bedient und somit als gefundenes Fressen für Verschwörungstheoretiker gesehen werden kann. Diese Kritik stützt sich weniger auf eine Auseinandersetzung mit dieser Ansicht und möchte sie weder begünstigen noch entkräften. Vielmehr soll es hier um die Effektivität als fiktionalisierter Politthriller gehen, die JFK – Tatort Dallas inszenatorisch wie auch erzählerisch vorzuweisen hat.
Einer von vielen
Beginnen tut der Film mit der Verabschiedung eines Präsidenten und der Kandidatur sowie Amtsannahme eines neuen. Relativ zügig wird Kennedys Aufstieg über seine Aufstellung zur Wiederwahl bis hin zu seinem Tod präsentiert, woraufhin sich die Handlung auf den vermeintlichen Übeltäter Lee Harvey Oswald (Gary Oldman) konzentriert. Bereits nach wenigen Minuten wird ein interessanter Konflikt geschildert, denn ohne weitere Beweise, die an die Öffentlichkeit gedrungen sind, ist eine konsequente Feindseligkeit seitens der Bürgerschaft zu sehen, die sich gegen ihn richtet.
Während seines Arrests wird Oswald von der tobenden Menge zum Scheusal bekannt, Opfer verbaler Wutausbrüche und kurzerhand sogar erschossen. Abgesehen davon, ob er den Präsidenten wahrhaftig ermordet hat oder nicht: Ohne klare Beweislage ist er kein ertappter Krimineller, sondern lediglich ein erwünschter. Womit der Film auf dieser Grundlage startet, ist ein fundamentales Motiv, von dem das Genre des Verschwörungsthrillers zehrt, wie von keinem anderen — Paranoia.
Etabliert sich diese schon in den Gesichtern der Passanten, wirkt sich deren Effekt auf den Einzelnen umso ungnädiger aus. Innerhalb der Ermittlungen um den Fall Kennedys ist die Annahme, Lee Harvey Oswald sei kein alleiniger Täter und vielmehr ein in das Gewitter geschickter Sündenbock gewesen, ein omnipräsentes Druckmittel zur Intensivierung der Paranoia. Als Hauptinvestigator auf die Ermordung Kennedys eingesetzt, deckt Jim Garrison – ein rechthaberischer, disziplinierter und sich nach der Wahrheit sehnender Patriot – Spuren auf, die an der Glaubwürdigkeit der im Volksmund verankerten Theorie rütteln.
Immer und immer abgründiger wird Garrison von seinen wachsenden Überzeugungen umschlungen. Zuhauf klagt schon seine Gattin Liz (Sissy Spacek), dass er sich mehr für einen verstorbenen Präsidenten als die eigene Frau und ihre gemeinsamen Kinder interessiert. Sein Engagement weicht wahnhafter Obsession, die allerspätestens bei einer Gerichtsverhandlung entfesselt wird, wo er auf möglichst rationale Weise eine Vielzahl hochgestufter Individuen des Verrates bezichtigt.
Unabdingbar stellt man sich als Publikum dabei die Frage: Hat er völlig den Verstand verloren oder ist es noch schlimmer als das: Hat er recht? Zum Zeitpunkt dieser Szene beobachten wir schon lange kein Dilemma mehr, das rein politischen Interesses abgehandelt wird, sondern eine Horrorgeschichte. Es keimt ein beängstigendes Hirngespinst auf, wenn Garrison seine Beweise vor der Jury kundtut. Nicht nur einmal denkt man darüber nach, ob Oswald als singulärer Angeklagter herhalten kann oder er doch nur Teil eines größeren Konstruktes ist, quasi einer von vielen.
Auf der Suche nach einem Phantom
Mit dem Variablenprinzip füllt der Film seine Geschichte mit immenser Spannung. Ein Konflikt von übergeordneter Bedeutung, welcher in seinem Eskalationspotenzial je nach Anzahl involvierter Parteien einem Dominospiel ähnelt. Letztendlich jagt der Protagonist einen Geist, von dem niemand weiß, ob er überhaupt existiert. Nicht umsonst gilt die Ermordung Kennedys als eines der undurchsichtigsten und am meisten hinterfragten Gewaltdelikte aller Zeiten. Oliver Stone versteht es, dieses Ungreifbare möglichst gruselig zu verkaufen.
So gibt es viele Persönlichkeiten im Rahmen der Handlung, deren Namen sowie Relevanz kaum im Gedächtnis zu behalten sind. Wilder, überfüllter und verdächtiger könnte ein Kaleidoskop an Individuen nicht gestaltet werden, die Bandbreite an Figuren ist regelrecht überfordernd und hat exakt so zu sein. Erst durch ein hyperbolisches Ausreizen sich überschneidender Fingerzeige, Anschuldigungen und Vermutungen wird dieses Werk zu der atmosphärischen Fahndung, die es darstellt.
Stressig ist die Verfolgung von Gesuchten immer, allerdings sprechen wir hier von einem kompletten Nullwert. Wenn diese Ausgangslage im Kontext des schwerwiegenden Hintergrundes betrachtet wird, gewinnt die Einschüchterung durch den unsichtbaren Gegner um einiges an Macht. Nicht etwa ein minderer Ladendiebstahl dient als Prämisse, sondern die Inhaftierung von Staatsfeind Nummer 1. Prinzipiell ist der Jäger gegenüber dem Gejagten immer im Vorteil. Dieses Szenario operiert jedoch unter falschen Regeln und dreht die Karten zugunsten des eigentlich Belasteten um.
Beispielsweise nimmt die Tochter von Jim eines Abends den Anruf von einem fremden Mann entgegen, welcher sie nach der Uhrzeit fragt, zu der sie Schulschluss hat. Der Hauptcharakter vollführt einen Blindflug in seiner Investigation, offiziell im Auftrag der Öffentlichkeit. Damit werden er und seine Angehörigen zu einer Zielscheibe, welche leicht zu treffen ist. Panik tritt in diesem Moment ein, da er die eigentliche Schutzlosigkeit des Helden offenbart. Das Drehbuch spielt gekonnt mit dieser Angst und wiegt die individuellen Auswirkungen eindringlich und ruchlos gegen die wirtschaftlich-politischen ab.
Auch wenn er in seiner Wiedergabe der historischen Ereignisse aufgrund dramaturgischer Zwecke nicht reibungslos für den Geschichtsunterricht taugen würde, schlägt sich dieses kontroverse Epos als filmisches Erzeugnis überragend. Durch das erstklassige Ensemble und die grandiosen Aspekte im filmischen Handwerk wird die mystische Story von technischer Raffinesse unterstützt und der Film als wahrer Meilenstein des Politthrillers ummantelt. JFK – Tatort Dallas zeigt mit tückischen Bildern und Dialogen beklemmend, unheimlich und provokant, wie viele Leben darunter leiden können, wenn eines beendet wird — aus Gründen, die man vielleicht nie erfahren wird.
JFK – TATORT DALLAS IST AKTUELL (STAND: 14. JULI 2023) BEI DISNEY+ VERFÜGBAR
9.0 Punkte
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.