Harlan Thrombey (Christopher Plummer) ist tot! Und nicht nur das – der renommierte Krimiautor und Familienpatriarch scheint sich nach der Feier zu seinem 85. Geburtstag umgebracht zu haben. Kaum zu glauben. Doch natürlich wollen weder die versammelte exzentrische Verwandtschaft noch das treu ergebene Hauspersonal etwas gesehen haben. Ein Fall für Benoit Blanc (Daniel Craig)! Der lässig-elegante Kommissar beginnt seine Ermittlungen und während sich sämtliche anwesenden Gäste alles andere als kooperativ zeigen, spitzt sich die Lage zu und das Misstrauen untereinander wächst. Ein komplexes Netz aus Lügen, falschen Fährten und Ablenkungsmanövern muss durchkämmt werden, um die Wahrheit hinter Thrombeys vorzeitigem Tod zu enthüllen.

Ein altes englisches Herrenhaus als begrenztes Setting, ein Familientreffen, das im Tod des Familienoberhaupts mündet und ein schrulliger Privatdetektiv, der die Anwesenden befragt, um hinter des Rätsels Lösung zu kommen. Die wichtigsten Zutaten für ein klassisches Whodunit à la Agatha Christie und Co. sind gegeben. Rian Johnson versucht sich genau an diesem Rezept Film ohne seine Inspiration von Klassikern wie Mord im Orient-Express oder Tod auf dem Nil zu verheimlichen. Im Gegenteil, Johnson macht gar keinen Hehl daraus, dass sein neuster Autorenfilm Knives Out eine zwei Stunden lange Hommage an eben diese Werke darstellen soll. Dazu spickt er seinen Film durchweg mit absichtlich plakativen, cleveren Anspielungen auf seine Vorbilder. Privatdetektiv Benoit Blanc ist da beispielsweise das Pendant zu Hercule Poirot, mitsamt charaktergebenden sonderbaren Eigenheiten, und das Anwesen des ermordeten Harlan Thrombey gleicht mit seinem englisch-aristokratischem Charme, seiner Ausstattung und seinen Geheimwegen einem Cluedo. Es ist ein Genre, das wir so abseits von enttäuschenden Remakes lange nicht mehr im Kino hatten – und jetzt ist es ausgerechnet Rian Johnson, der sich daran versucht. Derjenige, der nach Star Wars: Die letzten Jedi so viel einstecken musste. Jetzt macht er es wie immer. Johnson schreibt sein eigenes Originaldrehbuch und zieht sein Ding genau so durch, wie er es gerne hätte. Und im Falle von Knives Out… funktioniert das richtig gut.

Denn Johnson hat genau verstanden, was gute Whodunits sind: Unterhaltsame, relativ leichte Krimi-Kost mit charismatischen Charakteren und einem Plot, bei dem man als Zuschauer aus einer relativ kleinen Zahl an Verdächtigen stets miträtseln können muss, was denn nun genau vorgefallen ist. Das alles ist Knives Out, auf den Punkt. Meisterhaft leiten uns Regisseur Johnson und Cutter Bob Ducsay durch den Film, mit einem hervorragenden Pacing, einer nostalgischen Vertrautheit und gleichzeitig erfrischender Unvorhersehbarkeit. Verantwortlich dafür ist nicht nur der Schnitt, der gerade im ersten Viertel mit unglaublich geschickten Hin-und-Her-Cutten zwischen von Benoit Blanc befragten Zeugen für einen überraschend unterhaltsamen Einstieg in Knives Out verantwortlich ist.

Privatdetektiv Benoit Blanc ©Lionsgate

Befragt werden alle Familien-Mitglieder, die an der Geburtstagsfeier von Harlan Thrombey anwesend waren, in Folge derer eben jener sein Leben lassen musste. Da fällt einem auch auf, was für einen genialen Cast man hier auf die Beine gestellt hat: Christopher Plummer, Toni Collette, Chris Evans, Michael Shannon, Jamie Lee Curtis, Don Johnson und vor allem Ana de Armas. Nicht alle der Charaktere bekommen besonders tiefgehende Dreidimensionalität spendiert, macht aber nichts, denn der gesamte Cast macht es mit seiner Performance wieder wett. Kein einziger Blindgänger ist dabei, alle doch recht großen Namen machen ihren Job genau wie sie es sollten. Hervorzuheben ist da gerade letztere, Ana de Armas, die endlich mal eine waschechte Hauptrolle bekommen hat und die Mauerblümchen-Rolle so perfekt und charismatisch einnimmt, dass man sich einmal mehr wünscht, dass sie prominenter auf der Leinwand zu sehen wäre. Der Star des Films ist aber Daniel Craig, der den Privatdetektiv spielt. Verspielt philosophiert Craigs Charakter über Löcher in Donuts und singt voller Elan im Auto seine Lieblings-Songs mit. Craig spielt das hervorragend, mit genau dem richtigen Maß an Heiterkeit, er hat stets diese fast schon kindliche Aufregung in der Stimme, die ihn und seinen Charakter so besonder machen. Benoit Blanc steht dabei stellvertetend für das tolle humoristische Timing, dass Rian Johnson in Knives Out an den Tag legt. Das ist angenehm amüsant und fokussiert auf mehr unterhaltsames Schmunzeln und weniger lautstarkes Losprusten.

Das Skript ist auch neben dem Humor eine große Stärke von Knives Out. Man spielt damit, dass wir als Zuschauer immer glauben, mehr zu wissen als die Charaktere, was eine ganz eigene Spannung hervorbringt, als man es sonst vom Genre gewohnt ist. Die üblichen Twists trifft er auf den Punkt – am Ende des Kinogangs wird bei euch mit Sicherheit auch diese angenehme Diskussion entstehen, wer von wem gedacht hat, dass er es war, und wer eigentlich welche Wendung erwartet hatte und so weiter. Ein Zeichen, dass Knives Out es geschafft hat. Eine Schwäche gibt es dann aber doch. Im zweiten Drittel des Films begibt man sich etwas weg von seinen Vorbildern und orientiert sich mehr an Suspense-Thriller als an dem klassischen Murder Mystery. Johnson versucht sich hier mit einer interessanten Idee vom Stereotyp zu emanzipieren. Mehr sei hier nicht gesagt, es ist aber diese Phase des Films, die die einzige ist, in der Knives Out etwas schleppend werden kann. Zehn Minuten davon weggeschnitten und alles wäre super gewesen.

Die ganze Familie Thrombey ©Lionsgate

Mit Knives Out schafft Rian Johnson also ein herzlich unterhaltsames Whodunit, das alle Stärken des Genres meisterhaft ausspielt und seine eigenen kleinen Twists daraufbaut. Das Pacing ist toll, die Charaktere voller Charme, der Humor pointiert, voller willkommener Anspielungen, die Twists sitzen, der Schnitt ist grandios und das Herrenhaus eine Meisterleistung an Produktionsdesign. Wer Spaß im Kino haben will, kommt um Knives Out nicht herum.

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