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Drehbuch: Mariama Diallo
Schnitt: Jennifer Lee, Maya Maffioli
Kamera: Charlotte Hornsby
Schauspieler*innen: Regina Hall, Zoe Renee, Amber Gray
Sprache: Englisch
Jahr: 2022
Länge: 1h39min
Genre: Thriller, Horror
Unbehagen im Studentenwohnheim
Seit einigen Jahren gewinnt der ‚elevated Horror‘ zunehmend an Beliebtheit. Unter Fans bezeichnet dieser Begriff jene Horrorfilme, die ‚gehobeneren‘ und intellektuell ausgerichteten Grusel versprechen, ihren Fokus nicht auf riesige Blutlachen und den schnellsten Puls des Publikums setzen. Nicht zuletzt dank Jordan Peeles Get Out entwickelte sich der Trend innerhalb dieses Subgenres in den vergangenen Jahren hin zur Verarbeitung von Rassismus in modernen Gesellschaften.
Bereits 2020 beschäftigte sich der Netflix-Titel His House mit der Benachteiligung von Asylanten und vergangenes Jahr erhielten wir mit Candyman von Nia DaCosta einen fantastischen Mix aus Sequel und Reboot des Horror-Franchises, welches sich schon immer der Gentrifizierung widmete. Nun zieht Amazon Prime Video nach, indem der Streamingdienst den auf dem Sundance Film Festival 2022 uraufgeführten Master einem breiteren Publikum zugänglich macht.
Jasmine (Zoe Renee) tritt ihr erstes Semester an der renommierten Ancaster Universität an. Schon bald wird sie nicht nur mit den erhöhten Anforderungen ihrer Dozent*innen vertraut gemacht, sondern muss auch damit klarkommen, dass sie in ihrem Wohnheim die einzige Person of Color ist. Ähnlich ergeht es Geil Bishop (Regina Hall), der frischgebackenen Leiterin ihres Wohnheims, welche in der ihr überlassenen Unterkunft mit Überbleibseln konfrontiert wird, die auf rassistische Vorgänger*innen hindeuten.
Keine Furcht vor schlechtem Ausgang
Bei diesen beiden Handlungssträngen hätte es Regisseurin Mariama Diallo gerne für ihr Spielfilmdebüt belassen können, doch sowohl eine Hexengeschichte als auch die eines in den Wäldern neben der Universität lebenden Kults finden ihren Platz. Dazu kommt ein angedeuteter Liebesplot sowie diverse weitere kleine Einfälle, durch die Master eine für einen 90-Minüter so gigantische Fülle erhält, dass weder Haupt-, noch Nebenplots zu einem in Gänze zufriedenstellenden Ende geführt werden können. Womöglich hätte hier die Umsetzung in Form einer Miniserie mehr Sinn ergeben, damit sämtliche Handlungsstränge ihren Raum zur Entfaltung und eine angemessene Auflösung erhalten könnten.
Bis zu einem gewissen Grad überschattet dieses Pensum an Inhalt die vielen feinen Observierungen Diallos, welche innerhalb ihres Subgenres fast schon ihresgleichen suchen. Exemplarisch dafür steht eine Traumsequenz von Jasmine, in der auf unangenehme Weise vermittelt wird, wie sie sich als einzige PoC unter all den übrigen Student*innen vorkommt: als eine Attraktion, welche von der Masse interessiert und doch mit Abstand begutachtet wird. In der finalen Szene des Films bekommt man zudem einen Dialog serviert, der überraschend offensive Worte an diejenigen richtet, die nicht die Konsequenzen (alltags-)rassistischer Übergriffe verstehen wollen:
“It doesn’t have to make sense to you. You didn’t live it. It’s not your story. Consider yourself lucky.”
Momente wie diese sind es, die Master erinnerungswürdig machen. All das geschieht ohne plumpe Jumpscares, schrille Töne und schnelle Schnitte. Stattdessen setzt Diallo auf das tolle Spiel der Hauptdarstellerinnen, einen gezielten Einsatz von Robert Aiki Aubray Lowes (Cadyman) Score und eine düstere Grundstimmung. Selbst im Ausgang seiner Geschichte scheut Master nicht davor zurück, unkonventionelle Wege zu gehen, denn auf einen Showdown im klassischen Sinne wird verzichtet. Tatsächlich ist Master bei all dem fehlenden Fokus aber doch in einer Sache einem Film wie Get Out einen Schritt voraus: er ist konsequent genug, um auf ein pessimistisches, ebenso nachdenklich wie traurig stimmendes Ende zu setzen und sticht somit deutlich aus der breiten Masse des Horrorkinos hervor.
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