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Drehbuch: Hideaki Anno
Schnitt: Hideaki Anno, Emi Tsujita
Kamera: Keizō Suzuki, Osamu Ichikawa
Schauspieler*innen: Sosuke Ikematsu, Minami Hamabe, Tasuku Emoto
Land: Japan
Sprache: Japanisch
Länge: 2h1min
Genre: Action, Science-Fiction, Thriller
Gefährlich nahe an der Leitplanke eines Abhangs prescht ein Motorradfahrer den Asphalt entlang. Auf der Flucht vor unbekannten Verfolgern treibt er sein Zweiradvehikel ans Limit, vollführt wahnwitzige Drifts und rettet sich in ein Waldgebiet, damit er sich von Angesicht zu Angesicht verteidigen kann. Bis zu dem Zeitpunkt wirkt das Szenario recht gewöhnlich, lediglich der exotische Helm des Mannes, der mit Facettenaugen sowie Fühlern eines Insektes geschmückt ist, fällt aus der Reihe. Nachdem er besagten Helm abnimmt, lässt sich das Gesehene alles andere als gewöhnlich beschreiben. Anstatt eines rein menschlichen Gesichtes offenbart die Entkleidung eine Anomalie, von der sogar der Fahrer selbst überrascht ist: grüne Haut, rote und geweitete Augen und merkwürdige Kratzer auf den Wangen, die sich selbständig öffnen und schließen.
Takeshi Hongo (Sosuke Ikematsu) ist das Resultat eines biologischen Experimentes, bei dem seine DNS mit der eines Grashüpfers gekreuzt und durch Technologien eines Cyborgs optimiert worden ist. Verantwortlich ist eine ominöse Organisation namens SHOCKER, welche sich darauf spezialisiert hat, Menschen mit Merkmalen von Tieren und Maschinen zu koppeln, ungeahnte Kräfte zu entfesseln und sie mittels einer Gehirnwäsche für ihre finsteren Absichten zu missbrauchen. Takeshi konnte der Gedankenmanipulation durch die Hilfe von Ruriko Midorikawa (Minami Hamabe) jedoch entkommen, um gemeinsam mit ihr gegen die Motivation des Feindes anzukämpfen, die Gesellschaft auf animalische Weise zu unterjochen.
Evolutionäres Tempo
Kaum sind fünf Minuten vergangen, werden wir Zeuge von Hongos Fähigkeiten und sehen, wie er seine Gegner mit immenser Kraft wortwörtlich zerlegt. Blutgefäße platzen aus Stellen, welche er mit Fäusten und Füßen bearbeitet, woraufhin die Ziele wie ein getretener Ball gegen Bäume prallen, über Büsche fliegen oder in den Erdboden gestampft werden. Schnell wird deutlich, dass er seine Macht noch nicht kennt, ist er doch schockiert von seiner eigenen Transformation. Damit beginnt Shin Masked Rider an einem Punkt, zu dem andere Filme noch erst hinkommen müssen. Basierend auf der Sammlung von Mangas und TV-Serie Kamen Rider erweckt Regisseur und Altmeister Hideaki Anno das populäre Quellenmaterial für die Leinwand zum Leben, entscheidet sich gegen einen großen Aufbau seiner Filmadaption und erobert es im inszenatorischen Sturm.
Hat Hongo gerade noch einen Hybriden aus Mensch, Roboter und Spinne besiegt, haften ihm schon die nächsten abstrusen Gestalten an den Fersen. Adaptieren genießt oberste Priorität, denn stetig wird er mit neuen Mutationen konfrontiert, die neue Eigenarten, Stärken aber auch Schwächen mit sich bringen. Mit enormer Geschwindigkeit heizt das Drehbuch voran, liefert Kampfchoreographien und Verfolgungsjagden wie am Fließband und gönnt weder den Figuren, noch ihrem Publikum eine Pause.
Währenddessen streut Anno die Thematiken in die Storyline ein, für die er bereits vor Jahrzehnten bekannt wurde und sendet den Hauptcharakter auf einen Pfad voller existenzialistischer Fragen und intrapersoneller Konflikte. Gepaart mit der als Prämisse dienenden Gattung an Mischblütlern liefert der Film interessante Ansätze und füllt seine Welt mit einer philosophischen Perspektive, inwiefern der Konkurrenzkampf als dominante Spezies einer Notwendigkeit seitens der menschlichen Art entnommen wird, zeigt allerdings gleichermaßen, dass der Fokus auf dem Spektakel und nicht der Substanz liegt.
Rudimentärer Ausbau
Das angezogene Tempo der Narrative mag dem Entertainmentfaktor des Filmes sehr zugutekommen, sein konzeptionelles Potenzial erreicht der dadurch Film aber nicht. Vielmehr bleiben Skurrilitäten der Welt im Raum stehen und werden ohne Exposition abgehakt. Beispielsweise zerlaufen Körper zu Badeschaum, wenn sie sterben; ein Aspekt, den man hinnehmen muss. Anno macht sich zu wenig Mühe, die Zuschauerschaft für die Innovationen der Vorlage zu sensibilisieren und kreiert ein befremdliches Erlebnis. Einerseits könnten Nichtkenner jener Vorlage mit den abgefahrenen Szenen überfordert sein, während Fans selbiger andererseits von der mangelnden Tiefe des Konzeptes enttäuscht werden können.
Wie das nur oberflächlich behandelte Subjekt der Genetik und humanistischen Machtgier bleiben auch die Charaktere innerhalb der zahlreichen Dialoge äußerst blass. Vortragsweise und Dosierung der Konversationen wirken hölzern und ungelenk, als habe die Geschichte selbst kein Interesse an dem, was sie gerade erzählt. Möglicherweise konterkariert auch die Verrücktheit der Prämisse sämtliche Versuche, den Figuren Persönlichkeit zuzuschreiben. In einer Szene reden Ruriko und Takeshi über ihre familiären, der Vergangenheit angehörigen Dämonen, welche aber irrelevant erscheinen im Gegensatz zu den aufregenden Schlagabtauschen und Erforschungen des nächsten Hybriden, der sich ihnen in den Weg stellt.
Deswegen flacht die Story nach hinten heraus mehr und mehr ab, punktet dennoch mit seiner Artenvielfalt an Optionen für spannende Aufeinandertreffen innerhalb der illustrierten Evolution. Auch wenn sie etwas rasant geschnitten und das CGI nicht immer schön anzusehen ist, hat die übertriebene Action etwas Mitreißendes und verleiht dem Werk in Kombination mit der verwaschenen Audiovisualität einen tollen Manga-Style. An den abwechslungsreichen und farbenfrohen Schauplätzen lässt sich auch wenig ankreiden, die Makel des Filmes beschränken sich einzig und allein auf die niedrigen Ansprüche, welche dem Konzept gestellt werden. Als Start eines Franchise weiß Shin Masked Rider dennoch einen aufmerksamkeitserregenden Blick darauf zu richten, dass diese Welt eine Menge Potenzial zum Expandieren vorzuweisen hat.
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6.0 Punkte
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.