© Universal Pictures
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Drehbuch: Chris Morgan
Kamera: Stephen F. Windon
Schauspieler*innen: Lucas Black, Nathalie Kelley, Sung Kang
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h44min
Genre: Action, Crime
Mit neuer Besetzung erschließt sich die The Fast and the Furious-Filmreihe neue Gebiete. Im dritten Ableger versuchen sich Universal Pictures und Regisseur Justin Lin an einem Neustart, der seine Figuren mitten in die Tuningszene Japans transferiert. Dabei üben sich die bewegten Bilder bei all der Geschwindigkeit darin, in ihren Bewegungen eine Fusion von unterschiedlichen Kulturen sichtbar zu machen.
Die fragilen USA
Im Rausche des bevorstehendes Footballmatches betritt Sean (Lucas Black) gleichgültig seine Highschool, umringt von Metalldetektoren und Sicherheitsbeamten. Er schaut mit Verächtlichkeit auf die Piñata, die einen Native American darstellt und gerade von einem seiner Mitschüler brutal zerschlagen wird. „Go ducks, kill the Indians“ heißt es auf einem Schild. Die US-Gesellschaft findet nach dem Irak-Krieg und 9/11 für den Drang nach Stärke zu alter Unterdrückung zurück.
Unser Protagonist scheint von der langanhaltenden Aggression und Überwachung wie betäubt zu sein. Im Anschluss dieses gänzlich in Zeitlupe ablaufenden Filmintros wirkt Seans rasantes Straßenrennen gegen seinen Mitschüler wie ein längst überfälliger Befreiungsschlag, der ihn aber kurz darauf ins Exil schickt: Er muss zu seinem Vater nach Japan ziehen, um dem Jugendknast zu entgehen.
We wonder if you know, how to live in Tokyo
Der Kulturschock lässt nicht lange auf sich warten. Keine Sneaker im Klassenraum und Schuluniformen bilden erste Einblicke in die japanische Kultur. Statt mit Aggression wird hier mit Regeln Repression erreicht. Schnell findet der Amerikaner zum Drang nach Bewegung in der festgefahrenen Situation zurück.
Sobald Fahrzeuge durch die Einstellung peitschen, dreht The Fast and the Furious: Tokyo Drift auf. Die Tuningszene Tokios bietet sich als farbenfrohe Zuflucht freier Geister an, die ihre Leidenschaft mit der Zurschaustellung des Driftens zelebrieren. Die breiten amerikanischen Highways werden von engen und kurvenreichen Parkhäusern abgelöst.
Seans Integration verläuft daher nicht geradlinig. Die Herausforderung des ranghöchsten Fahrers D. K. (Brian Tee) hat ein folgenreiches Nachspiel. Mit dem Kopf durch die Wand fahren wie zuvor, hinterlässt dem geschlagenen Sean nur einen gecrashten Nissan. Der Amerikaner stößt daraufhin einen kulturellen Lernprozess an, indem der Rennfahrer Han (Sung Kang) ihm die Geschicklichkeit des Driftens beibringt.
Blockbuster im rebellischen Indie-Gewand
Justin Lin ist sichtlich darin bemüht, das Zugehörigkeitsgefühl einer unterdrückten Generation abzubilden, die sich über Ländergrenzen nur anders äußert. Dabei wird der Wunsch nach Bewegung auch auf den Filmdreh selbst übertragbar: Aufgrund der vielen Klischees im Drehbuch zog die japanische Regierung ihre Drehgenehmigung zurück.
Die Szenen in Tokio wurden daher illegal gefilmt. Die Filmcrew stellte Personen ein, die sich als Regisseur ausgaben und von der Polizei festgenommen wurden, damit Lin weiterfilmen konnte. Während man allein aus ethischen Gründen dem Willen der japanischen Regierung Beachtung schenken sollte, erscheint Tokyo Drift in seinen besten Momenten in diesem Hinwegsetzen über Verbote weniger wie ein Blockbustergetöse und mehr wie ein Independent-Filmprojekt. Man lässt sich durch die Rebellion die bewegten Bilder und erzählenswerte Geschichte nicht verbieten.
Dieser aufmüpfige Produktionsprozess schreibt sich in die dargestellten Figuren und Tuningszene ein. Die Straßenrennen erhalten somit eine rohe Bewegungskraft und Ehrlichkeit. Jede gefilmte Einstellung zählte, ähnlich wie jede Beschleunigungsphase, die die Figuren in den Fahrzeugen zum Näherkommen der Ziellinie zurücklegen.
Geschwindigkeit als einende Kraft
Um in der neuen Umgebung zu bestehen, verlässt Sean altbekannte Lebensweisen und integriert sich durch das Meistern des Driftens in die japanische Autokultur. Statt den eigenen Erfolg ganz nach amerikanischem Vorbild am Sieg über andere festzumachen, eröffnen sich dem Protagonisten Werte, die sich im erlernten Bewegungstanz schillernder Fahrzeuge niederschlagen.
Die Motivation für eine Sache zu kämpfen, sollte nicht für die eigene Bereicherung, sondern für einen Fortschritt anderer erfolgen. Aus einer persönlichen Fede mit D. K. erwächst eine existenzielle Bedrohung für Seans Umfeld – ein letztes Aufeinandertreffen scheint somit unvermeidlich, wenn der Cowboy aus Amerika nun in Tokio für Gerechtigkeit zu sorgen hat.
Über die Geschwindigkeit vereint Tokyo Drift so länderübergreifende Identitäten. Lin lässt für diese Charakterentwicklung die Fahrzeuge und ihre Projektionsfläche sprechen: Sean krallt sich für das finale Rennen die Karosserie eines Ford Mustangs und setzt unter die Haube den Motor des zuvor gecrashten Nissans. Das Auto wird so zur Metapher einer kulturellen Fusion. Eine amerikanische Oberfläche bekommt eine japanische Herztransplantation.
Die Bildsprache von Tokyo Drift hält trotz aller amerikanisch-asiatischer Klischees einen Aufruf zur Toleranz und Aneignungsfähigkeit in diesem Geschwindigkeitsmärchen bereit. Dass Thomas Black mit seinen Schauspielfähigkeiten und seinem Alter leider eine klare Fehlbesetzung ist und Stereotype für die Ausdrucksstärke sorgen, verdonnert Lins Neustart der The Fast and the Furious-Reihe leider zum Guilty Pleasure.