SynopsisCrewDetails
Als die Pflicht sie zu einem anomalen Wurmloch ruft, das ein Kree-Revolutionär ausgelöst hat, werden die Kräfte von Carol Danvers (Captain Marvel), Kamala Khan (Ms. Marvel), ein Superfan Jersey Citys, und Carols Nichte, die S.A.B.E.R.-Astronautin Captain Monica Rambeau, vereint. Das ungleiche Trio muss als „The Marvels“ das Universum retten.
©TMDB
Regie: Nia DaCosta
Drehbuch: Nia DaCosta, Elissa Karasik, Megan McDonnell
Schnitt: Evan Schiff, Catrin Hedström
Kamera: Sean Bobbitt
Schauspieler*innen: Brie Larson, Teyonah Parris, Iman Vellani
Produktionsjahr: 2023
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h45min
Genre: Science-Fiction, Action

Etliche Male verschoben, doch nun sehen wir nach vier Jahren heißersehnt Brie Larson in ihrer Rolle der Carol Danvers bzw. Captain Marvel wieder. Umringt von ihren Partnerinnen Monica Rambo (Teyonah Parris) und Kamala Khan bzw. Ms. Marvel (Iman Vellani) muss Carol eine längst ausstehende Schuld beichten, die sie seit dem Ende des ersten Films mit sich trägt: Sie ist für das Leid tausender verantwortlich – und das seit 30 Jahren.

Aus Scham hat sich Carol seither nicht auf der Erde blicken lassen – die wenigen Sekunden aus Avengers: Endgame ausgenommen. Es ist ein rührend inszenierter Moment und die Schlüsselszene des Films. Sie soll als Schulterschluss dreier Superheldinnen herhalten, alle zwischen ihnen stehenden Konflikte auflösen, innige Freundschaft hervorrufen. Die Kapitänin kann nach all den Jahren endlich durchatmen. Ein Glück, dass der hauptsächlichen Protagonistin ein Genozid direkt verziehen wird, Fehler sind schließlich immer noch menschlich. Carol darf wieder Mensch sein.

Handlungssprünge durch den Weltraum und zurück

Wie es dazu kommt, handelt der 33. Film des Marvel Cinematic Universe in Rekordgeschwindigkeit ab. Mit einer Laufzeit von 105 Minuten gehört The Marvels zu den kürzesten der Reihe, was vor allem der knappen Exposition geschuldet ist. Fans kennen das Trio bereits. Ms. Marvel erhielt letztes Jahr ihre eigene Serie auf Disney+, Monica Rambo ist seit der ersten Marvelserie des Mäusekonzerns 2021 etabliert. Darauf bauen die Filmschaffenden, also Abfahrt ins Weltraumabenteuer.

Durch ein Wurmloch im All werden die drei Heldinnen zu Beginn miteinander magisch verlinkt. Sobald zwei der Superheldinnen gleichzeitig ihre Kräfte aktivieren, tauschen sie ihre Plätze. So findet sich Kamala urplötzlich in einem Raumschiff wieder, Sekundenbruchteile vorher war sie noch in ihrem Teenagerzimmer in New Jersey. Zeit verliert The Marvels keine. Ist die notwendige Erkenntnis einer Szene offengelegt, bricht erst einmal wieder das Chaos aus.

Zu schade, dass es der verspielten Prämisse an Konsequenz mangelt. Letztendlich tauschen die Superheldinnen einfach ihren Platz, wenn es dem Drehbuch gerade in den Kram passt. Mal werden dadurch gelungene Konfrontationen ermöglicht, wenn Carol beispielsweise ein notwendiges Treffen mit Monica aufschiebt, nur um dann an Kamalas Stelle ohne Vorbereitung Monica gegenüberzustehen. Andererseits wird jenes Plot Device jedoch statt netter Spielerei mit dröger Willkür verwechselt, vor allem in den Kampfszenen, wenn durch Schnittgewitter schlicht nicht ersichtlich sein soll, wann Positionen gewechselt werden.

Realpolitik in der Galaxie

Was zurück zu der oben beschriebenen Szene führt, weshalb Carol ihre Taten gesteht. Die Kree-Soldatin Dar-Benn (Zawe Asthon) findet ein Weltraumartefakt, das Wurmlöcher auslösen kann. Ihr Planet leidet seit Carols 30 Jahre zurückliegendem Angriff an Wasserknappheit und ewiger Nacht. Jetzt will sie diese Ressourcen mit Wurmlöchern in Massen in ihre Heimat transportieren, was wiederum andere Planeten in Mitleidenschaft zieht. Statt Dar-Benn aus dieser misslichen Lage angemessen zu helfen, stellen sich unsere tapferen Heldinnen wortlos gegen diese ausbeuterische Kraft.

Skrull-Flüchtlinge im All geraten unter anderem zwischen die Fronten, sollen vom Trio gerettet werden. Eigentlich müsste die Szene erschüttern, denn nicht alle sollen gerettet werden. Carol fordert die junge Kamala auf, ihre idealistischen Prinzipien der Situation anzupassen: Einerseits können nicht alle Flüchtlinge in die wenigen Raumschiffe gepresst werden, andererseits soll Kamala an ihr eigenes Leben denken. Im Kontrast dazu wäre Captain America ausgestiegen, um seinen Platz einer hilfsbedürftigen Person freizumachen, Kapitäne verlassen schließlich als letzte das sinkende Schiff – Captain Marvel sitzt längst drin.

Doch dabei bleibt es nicht. Auf der Erde angekommen, werden die Skrulls als lautlose Masse sofort nach Asgard abgeschoben und nie wieder erwähnt. Wir haben es mit einer narzisstischen Hauptfigur zu tun, die dank des Films als Heldin verklärt wird. The Marvels bildet damit eine scheußliche Parallele weltlicher Realpolitik als Weltraummärchen ab. Probleme werden bruchstückhaft adressiert, das eigene Leben ist wichtiger als das anderer und Reue reicht rigoros als vollendete Entwicklung aus. Um den Heldenstatus dieser Ideologie zu unterstreichen, wird sogar Der Club der toten Dichter und Walt Whitmann zugleich im Film aufgegriffen. Mit wässrigen Augen ruft Kamala ihrem Idol Captain Marvel zu: „Oh captain my captain“!

Ein Schrecken mit Ende

Aber gut, wenigstens kriegen die Krees die Sonne auf ihrem Heimatplaneten dann doch wieder, in zerlumpten Kleidern und mit leuchtenden Augen werden sie präsentiert – wie stereotypisierte Stockfotos aus Entwicklungsländern. Carol wird als Heilsbringerin dargestellt, die Welt ist gerettet und alles vergessen. An Zynismus ist dieser Akt der Selbstgerechtigkeit nicht mehr zu überbieten.

Das ist ungefähr das Äquivalent, wie wenn Nestlé sich dazu bereiterklären würde, ein einziges der unzähligen aufgekauften Grundwasservorkommen afrikanischer Staaten zurück an eine Gemeinde zu geben. Unfassbar, dass dieser Film von Nia DaCosta inszeniert wurde, einer afroamerikanischen Regisseurin, die mit Candyman 2021 einen der besten Horrorfilme über Rassismus und gleichzeitig das beste Filmremake seit Jahren ablieferte.

Der Trailer kaschiert perfekt die ideologische Entgleisung, verspricht ein nettes Weltraumabenteuer. Gerade die Prämisse hätte für viel lockeren Charme sorgen können, doch wie alle genutzten Kniffe – von Split Screens, kurzen Zeichentrickanimationen oder Musicalszenen –  fühlt sich alles wie eine Auftragsarbeit an. Nie zu viel, aber auch nie zu wenig, um die Unterhaltung noch aufrechtzuerhalten.

Die Ausnahme: Iman Vellani, die in ihrer Rolle ein weiteres Mal positiv heraussticht. Diese Figur aus den Originalcomics wurde aber misslich ins bewegte Bild übersetzt – mit Glitzerhänden statt grotesken Körperproportionen. Letztendlich sind die ca. 100 Minuten vollgestopft, aber nicht mit qualitativem Inhalt.

2.0
Punkte