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Drehbuch: Martin Goldsmith
Kamera: Benjamin H. Kline
Schauspieler*innen: Tom Neal, Ann Savage, Claudia Drake
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h08min
Genre: Thriller, Drama
In der Filmhistorie des Film noirs sticht Umleitung (Originaltitel Detour) unter der Regie von Edgar G. Ulmer besonders hervor. Vom Studio mit nur geringem Budget zum Dreh mit der Sparflamme ausgestattet, minimierte sich der Bereich des filmisch Möglichen für diese Romanverfilmung drastisch. Doch unter Ulmers Leitung blüht eine simple Geschichte auf, welche durch die Sparflamme schlicht nur finsterer wird.
Über Umwege Richtung Ende
Wie bei vielen Film noirs wird die Geschichte auch in Umleitung von hinten aufgerollt. Einsam und unrasiert sitzt Al Roberts (Tom Neal) in einem Diner, irgendwo im Nirgendwo. Schwarze Flächen überwiegen im Gesicht des Pianisten, der vor ein paar Tagen noch munter mit der lieblichen Stimme seiner Verlobten Sue (Claudia Drake) für gute Unterhaltung in einem kleinen New Yorker Nachtklub sorgte.
Doch Sue, von ihren Träumen und ihrer Unabhängigkeit dazu angetrieben, reist ohne ihren mittellosen Verlobten nach Los Angeles, um sich als Schauspielerin zu versuchen. Al will nachziehen, ist aber auf das Reisen per Anhalter angewiesen. Nachdem er für ein paar Stunden seinen Fahrer am Lenker ablöst, fällt dieser leblos vom Beifahrersitz. Danach nimmt die Abwärtsspirale ihren Lauf.
Das Unschuldslamm für geschworene Zuschauer
Ulmer lässt die Geschichte des Films über Als Nacherzählung entfalten. Wie die Szenen sich ausspielen, liegt also in der Perspektive seines Protagonisten. Der weiß sich zur Kamera dementsprechend zu positionieren. In Selbstmitleid versunken, schlurft Al schon durch die Szenerie, bevor sein Fahrer überhaupt das Zeitliche segnet. Der gesenkte Dackelblick dank der heruntergezogenen Mundwinkel rundet die Selbstdarstellung des Unschuldslamms ab.
Es scheint so, als wolle Al sich bereits auf sein Gerichtsverfahren vorbereiten und den Blick des Films auf die Geschehnisse vorstrukturieren. Im Diner beginnt er das Aufrollen der Ereignisse, als spräche er zu uns, den Geschworenen, die zum Zuschauen gezwungen sind. Hier wird Überzeugungsarbeit geleistet. Durch die eingenommene Perspektive kommen Zweifel an den Taten oder eben des Nichtzeigens von Taten auf. Al ist ein unzuverlässiger Erzähler, der über die Darstellung seiner Lebensgeschichte entscheiden möchte.
Von finanzieller Restriktion zu visuellem Einfallsreichtum
Anders als ihr Protagonist, konnte sich die Filmproduktion keine Umwege leisten. In nur 14 Drehtagen wurde das Budget auf den Kopf gehauen. Jede Einstellung schien sitzen zu müssen, was aus Filmkunst auch das fachliche Handwerk herausstellt. Denn aus dieser Ausbeutung der Beteiligten – das Resultat finanzieller Restriktionen im Filmgeschäft – kann Kunst zum Trotz aufblühen. Es kommt dann auf die Kreativität der Beteiligten an, die finanzielle Lücke mit Einfallsreichtum zu füllen.
Es leuchtet ein, dass so bald nicht in Räumen gedreht werden konnte, Nebelmaschinen den Hintergrund verdichten und nur noch einzelne Elemente im Bildvordergrund hervorgehoben sind. Umleitung erhält dadurch eine präzise Bildsprache und Atmosphäre, die den Geisteszustand von Al perfekt zu vernebeln weiß. Was wahr und gelogen ist, lässt sich in den 68 Minuten des Films kaum ausmachen. Zweifel machen sich breit.
Die männliche Angst vor selbstbestimmter Weiblichkeit
Nachdem der arme Pianist den verstorbenen Anhalter am Straßenrand zurücklässt und mit dessen Auto den Weg nach Los Angeles fortsetzt, trifft er auf Vera (Ann Savage). Aus uns gutmütig mitgeteiltem Motiv wird Al zu Veras Anhalter, nicht ahnend, dass Vera das Auto wiedererkennt. Sie wurde von Als Anhalter schonmal mitgenommen und beschuldigt Al nun des Mordes, was den Film nur noch mehr an das Mitleid evozierende Narrativ der Erzählung koppelt.
Vera verkörpert wie schon Als Verlobte die Prinzipien weiblicher Selbstbestimmung, gegenüber der Al völlig machtlos inszeniert wird. Doch ist es eben Als Erzählung, die das Präsentierte vorbestimmt. Vera wird mit ihren gemeinen Kommentaren und unvorhersehbaren Wutausbrüchen als widerwärtige Furie dargestellt.
Erstickt an einer ihr um den Hals gewickelten Telefonleitung, versucht Al obendrein, das Resultat seiner Angst vor der emanzipierten Frau als einen ungewollten Unfall darzustellen. Lautstarke, über sich entscheidende Frauen können nur gefügig gemacht werden, wenn ihnen die Stimme genommen wird.
Dank der Umwege des Protagonisten lässt Umleitung seine Zuschauer über die Täter-Opfer-Umkehr von Als Geschehnissen zweifeln. Trotz Sparflamme wirft Ulmer so ein Licht auf die sich zunehmenden Ungereimtheiten des im Kopf schon vor Gericht stehenden Pianisten. Umleitung mag demnach zwar schmal an Budget und kurz in der Laufzeit sein. Der Film ist jedoch unheimlich effektiv darin, eine Lesart für die verzerrte Wahrnehmung und Erklärungskomplexe schuldiger Personen abzubilden.
7.0 Punkte
Umleitung - Review