Drehbuch: Gillian Flynn
Kamera: Jeff Cronenweth
Schnitt: Kirk Baxter
DarstellerInnen: Ben Affleck, Rosamund Pike, Kim Dickens, Tyler Perry, Neil Patrick Harris, Carrie Coon
Sprache: Englisch
Länge: 2h29min
Genre: Mystery, Drama, Thriller
Mit Verblendung hat mich David Fincher um ganz ehrlich zu sein ziemlich enttäuscht und entsprechend vorsichtig bin ich an Gone Girl herangetreten. Und das Fincher Crime-Thriller inszenieren kann, das weiß man seit Sieben, spätestens nach Zodiac, und natürlich spielt in diesem Falle hier der Cast dem ganzen ziemlich in die Hände. Unter anderem in The Way Back hat mir Ben Affleck richtig gut gefallen und auch von Neil Patrick Harris bin ich ein großer Fan – zugegebenermaßen insbesondere dank How I Met Your Mother und Eine Reihe betrüblicher Ereignisse, aber dennoch. Mit dem Kameramann von Fight Club kann man im Grunde auch nichts falsch machen und so kam es wie es kommen musste, wenn auch trotz verhaltener Erwartungen.
Ich wurde aus den Socken gehauen. Gone Girl ist einer der spannendsten Filme die ich kenne und das trotz der Tatsache, dass er nach vergleichsweise kurzer Zeit seine Karten offen auf den Tisch legt, zeigt, was es mit den ganzen Geschehnissen auf sich hat. Dennoch bleibt der Film unvorhersehbar und das bis zum Schluss, womit man wahrscheinlich bei der größten Stärke des Films ist, aber fangen wir etwas organisierter an. Mit einer Laufzeit von knapp 150 Minuten ist Gone Girl ziemlich lang und wird trotzdem zu keiner Sekunde langweilig. Es gibt keine Szene in diesem Film, die die Handlung oder die Charaktere nicht vorantreibt und damit ist der Film vermutlich ein Beispiel für ein nahezu makelloses Drehbuch, ganz nach der Prämisse: “Wenn eine Szene kein wahres Ereignis ist, streichen Sie sie.” (Robert McKee, Story). Ob es die Crime-Elemente sind, die Momente, in denen der Thriller die Oberhand gewinnt, oder die, in denen das Drama durchscheint. In “Gone Girl” gibt es keinen Moment zum durchschnaufen und die Inszenierung ist dabei immer absolut grandios.
Hier spielen sich sämtliche filmische Aspekte zu jeder Zeit fantastisch zu, ergänzen einander makellos und fesseln einen an den Bildschirm. Es ist schwer, mehr auf den tatsächlichen Handlungsverlauf einzugehen, da hier nahezu alles einem großen Spoiler gleichkommt, aber ich denke, das muss auch gar nicht zwingend sein. Der Film endet auf eine Weise, die nicht jeden zufrieden stellen wird und die zugegebenermaßen gewisse Fragen unbeantwortet lässt und neue aufwirft, aber ist das etwas schlechtes? Vielleicht hat man etwas anderes erwartet oder sich gar erhofft, dass es ein eindeutiges Ende gibt, eine Trennung von gut und böse, aber das würde auf den Kopf stellen, was der Film über seine nahezu volle Laufzeit immer wieder förmlich schreit. Gut, böse, was heißt das schon?
Immer wieder wechselt in gewisser Weise die Rolle des Antagonisten. Nicht nur in den Augen der im Film präsenten Medien und Reportern, sondern auch in denen des Zuschauers, aber es kommt der Zeitpunkt, an dem man sich wohl oder übel damit abfinden muss, dass man nicht in Schwarz- und Weiß-, sondern in Grautönen denken muss. Dieses Bild lichtet sich mit der Zeit, ganz deutlich wird es aber nie. Die Figuren in diesem Film sind facettenreich und besonders auf Nick wird sich hier fokussiert und leider muss ich ein weiteres Mal sagen, dass ich hier nicht viele Worte verlieren kann, da ich diese Rezension spoilerfrei halten möchte. Sowohl an Figurentiefe als auch Figurenentwicklung mangelt es ihm, Amy und auch einigen Nebenfiguren wie Margo und Detective Boney nicht. Es werden immer wieder tiefe Einblicke gewährt, die dazu noch durch die wirklich gute Chemie der Darsteller und deren fantastischen Darbietungen getragen wird. Ben Affleck spielt seine Rolle hervorragend, aber auch Rosamund Pike kann durchweg mehr als überzeugen, genau wie quasi der komplette Nebencast
Auf audiovisueller Ebene habe ich ebenso wenig zu kritisieren wie auf inhaltlicher. Angefangen bei der durchgehend sehr starken Kameraführung: Viele tolle Shots werden eingefangen, so richtig strahlt sie aber in Kombination mit dem Schnitt in den Szenen, in denen das Bild die Geschichte nicht nur ergänzt, sondern erzählt. Hier kommt wieder Finchers inszenatorisches Feingefühl an das Tageslicht und es ist selten der Fall, dass ich wie hier zurückspule, um mir eine Szene direkt ein weiteres Mal anzusehen, da ich so von ihr und ihrer audiovisuellen Erscheinung begeistert war. (Ein anderes Beispiel dafür, nur so am Rande, wäre die Tanzszene vor dem Sonnenuntergang in Burning.) Der Schnitt kann auch abseits dieser Momente, beispielsweise während Montagen, glänzen und was das ganze ebenfalls aufwertet ist der stimmige, stets passende und einfach nur bärenstarke Score des Films. Gone Girl ist audiovisuell wunderbar rund und ein nahezu perfektes Beispiel dafür, wie entsprechende filmische Aspekte nicht nur präsent sind, sondern die Handlung bereichern.
Ich habe an Gone Girl nichts auszusetzen. Er ist nicht zu lang, hat keine vorhersehbaren Momente, hat interessante Figuren und regt zum Nachdenken an. Dazu kommt seine audiovisuelle Klasse, die mit anderen Filmen des Genres fast schon den Boden putzt. Gone Girl ist phänomenal und eine Zweitsichtung wird zeigen, ob der Film von mir den Stempel “zeitloses Meisterwerk” verdient. Auf einem guten Weg dazu ist er allemal.