SynopsisCrewDetailsVerfügbarkeit
Ein Computervirus sorgt in China für Tote. Kurz darauf wird die Börse in Chicago angegriffen und die Weltwirtschaft steht vor einer Krise. Benutzt wurde der Code des berühmten Hackers Nicholas Hathaway, doch der sitzt seit Jahren im Gefängnis. Das FBI sieht nur eine Lösung: Es braucht Hathaways Hilfe. Um herauszufinden, wer hinter dem Angriff steckt, machen die Ermittler ihm ein Angebot: Wenn er ihnen hilft, schenken sie ihm die Freiheit.
Regie: Michael Mann
Drehbuch: Morgan Davis Foehl
Schnitt: Stephen E. Rivkin, Jeremiah O’Driscoll, Joe Walker, Mako Kamitsuna
Kamera: Stuart Dryburgh
Schauspieler*innen: Chris Hemsworth, Leehom Wang, Tang Wei, Viola Davis
Release: 2015
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 2h13min
Genre: Action, Thriller, Crime

Mit einem unabdingbaren Berufsrisiko muss sich mit dem Lauf der Karriere jeder erfolgreicher, von einer Fanbase besiedelter Regisseur konfrontiert sehen: Die eigene Filmographie wird zur Konkurrenz. Ein Prozess, bei dem die Schwächen den langwierigen Stärken in ihrer Auffälligkeit vorausgehen und selbige auf die Probe stellen, ob die individuelle Machart wertbeständig bleibt. Als passionierter Teilingenieur des 80er-/90er-Thrillerkinos hatte Michael Mann es nach dieser Phase des Genres schwerer, als sein Ruf erahnen lassen könnte.

Wo er mit Collateral einen nach wie vor effektiven Ritt durch seine konservative Schaffenskraft inszenieren konnte, war ihm dasselbe Glück bei Miami Vice verwehrt geblieben. Mit Blackhat, seinem Cyberthriller aus dem Jahr 2015, wurde er schmerzhafterweise zum Wiederholungstäter. Obwohl das Thema höchst aktuell war und unter guten Voraussetzungen stand, fand sich überall auf der Welt ein und dasselbe Wort: Misfire. Ein gewaltiger, verworrener, furchtbar antriebsloser und nicht nach Formel verwertbarer Misfire. Das Resultat zeichnet den größten Flop in Manns langjähriger Karriere. Doch inwiefern ist dieser Status gerechtfertigt, wenn man sich das Verhältnis zwischen Inhalt, Umsetzung und der Kombination aus beidem unter dem Vorbehalt Manns präferierter Themen und wie er sie auf die Leinwand bringt genauer ansieht?

Ein wahres Highlight sind auch hier wieder Optik und Akkustik. Die Kameraführung fängt seine globalen Settings mal ruhig, mal chaotisch ein und wartet mit innovativen Einstellungen auf. Gerade in den mitreißenden, brutalen und wunderbar konsequenten Action-Sequenzen ist die Tonqualität des Geschehens bombastisch und manövriert einen in die dünnste Naht seines Sessels. Die umfassende Trostlosigkeit und Verlorenheit innerhalb der weltweiten Unsicherheit durch Kriminalität, anhand von menschengemachter Mittel verkörpert, transportiert diese Ehrfurcht vor dem eigenen Naturell. Somit etabliert sich der Film nicht nur aus audiovisueller Perspektive als genial produziert, sondern auch als inhaltlich differenziert und fantastisch geschrieben.

Nicholas Hathaway (Chris Hemsworth), ein zu über 13 Jahren verurteilter Hacker, wird von der Regierung aufgesucht, um einer Cyberbedrohung nachzugehen, die das Potenzial birgt die Weltwirtschaft zu zerschlagen. Warum er? Weil der Code, der die virtuellen Angriffe möglich machte, von ihm geschrieben worden ist. In gewohnter Manier bietet der Aufbau bis zum Wesentlichen eine Menge an fokussierter Coolness und vor allen Dingen Professionalität in Repräsentation von Menschen, die in ihrem Berufsfeld wahre Meister sind. Hathaway liest binäre Zahlenfolgen wie kein zweiter und hilft den staatlichen Institutionen schneller voranzukommen, als sie ohne ihn bewerkstelligen könnten.

In dem Sinne merkt man direkt, dass man sich in einem Film des Regisseurs befindet, dessen Name auf sämtlichen Postern zu lesen ist. Sein Gespür für einen eindringlichen Blick in die Lebenswirklichkeit einer Person und die darin mündende Inszenatorik sind unverkennbar. Ein mit dem Handlungsverlauf auftretender Makel gibt hierbei schon die Art von Makel, die in Relation zu den Sehgewohnheiten des Mannes auf dem Regiestuhl fatal sein kann, nämlich die spärliche Charakterisierung des Protagonisten. Nicht pauschalisiert, sondern individuell betrachtet ist Nicholas Hathaway nicht so eingefleischt und ausgefeilt wie es beispielsweise der isolierte Dieb Frank in Manns Krimidrama Thief oder Profiler Will Graham in Manhunter, der Verfilmung des populären Buches Roter Drache von Thomas Harris, gewesen ist. Dennoch ist er als leidtragende Hauptfigur konstant genug, um keinen negativen Eindruck zu hinterlassen, weil er eines aufzeigt, was für die Story erheblicher ist als alles andere: Die volle Hingabe für das, was er tut.

Hathaway ist ein Ass und in seinen Fähigkeiten unbefleckt in Szene gesetzt. Und obwohl man sich über die Wahl als Darsteller für seine Rolle durchaus streiten kann, liefert Chris Hemsworth in seiner Haut eine mehr als solide, engagierte und dem Tonus des Charakters orientierte, treffsichere Performance ab. Um ihn herum ist es die Prämisse, mit der Mann auf kurz oder lang wahrlich brilliert. Staatsüberwachung ist zu Zeiten technischer Modernisierung ein heißes Thema und geht Hand in Hand mit dem Aspekt schlechthin, der Manns Filme als Thriller ausmacht – Paranoia. Dadurch, dass man sich in wenigen Szenarien noch unsicherer sein kann, wer eigentlich der Feind ist, was sein allgemeiner Kenntnisstand über die von Symbolen und Ziffern definierte Rivalität ist und wie er auf den nächsten Schritt reagieren könnte, entfesselt sich ein enormes Unbehagen, welches bis in die Zellen einzieht.

Dabei ist es kein Wunder, dass das Drehbuch viele unentdeckte Pfade passieren muss, um von Sektor A zu Sektor B zu gelangen. Dem Publikum dadurch automatisch mehr Geduld und Bereitschaft zur totalen Aufmerksamkeit abzuverlangen, kann als valider Kritikpunkt aufgefasst werden. Wieso sollte man sich für eine Geschichte interessieren, bei der man ernsthafte Schwierigkeiten bekommt, inhaltlich und narrativ stets am Ball zu bleiben? Wenn man sich aber hinter den Vorhang traut und in die Storyline einfindet, wird man feststellen, dass Blackhat in Sachen Authentizität und Realismus einen Druck ausübt, wie man es noch nie erlebt hat. Dadurch – und nur dadurch – ist Blackhat auf die möglichst spezielle Art der beste Film, den Michael Mann je gedreht hat. Trotz gelegentlicher Sterilität verfügt er über eine immense Grundspannung über die komplette Laufzeit, wobei besonders die finalen 40 Minuten eine einzige Tortur im positiven Kontext sind.

Natürlich verläuft Blackhat aufgrund vieler bereits benannter Aspekte nicht astrein. Das Pacing ist nicht ideal gesetzt und durch das Auftreten dramatisch unterkühlter Charaktermomente mit einigen Momenten versehen, die träge ablaufen. Auch der partweise verwirrende Plot verkauft das Konzept unter seinen Möglichkeiten und reiht sich in das kritische Spektrum potentieller Ernüchterung ein. Das neuzeitliche Meisterwerk eines renommierten Filmemachers ist er bedauerlicherweise nicht. Blackhat ist keine vollwertige Illusion, dafür ist er aber in seinen Kernkompetenzen etwas anderes. Blackhat ist ein Beweis. Ein Beweis dafür, dass Mann in der Lage ist, mit der Zeit zu gehen und dabei seinem altbewährten Stil treu zu bleiben. Im Land des Filmemachens ist dies nicht als Selbstverständlichkeit zu werten.

7.0
Punkte