Drehbuch: Daphne du Maurier, Jane Goldman, Anna Waterhouse, Joe Shrapnel
Kamera: Laurie Rose
Schnitt: Jonathan Amos
DarstellerInnen: Lily James, Armie Hammer, Kristin Scott, Thomas Keeley Hawes, Ann Dowd, Sam Riley
Sprache: Englisch
Länge: 2h01min
Genre: Mystery, Thriller, Romance, Drama
Bei manchen Remakes von gewissen Filmen werden ohne zu Zögern die Fackeln und Mistgabeln bereits aus Prinzip ausgepackt. Oftmals ist die Empörung über ihre bloße Existenz größer als die Freude darüber, dass sich ihrer angenommen wird. Und auch wenn Alfred Hitchcocks Film aus dem Jahre 1940 selbst auf einer Novelle basiert, bietet sein Name wie bei vielen seiner Werke einen hohen Status. Er ringt zwar nicht ganz mit seinen höchsten Klassikern, beweist aber wie jene seine standhafte Fähigkeit, gut zu altern. Auch heute noch glänzt der Film durch viele seiner Aspekte. Dahingehend sei schon direkt die Frage geklärt: Lohnt es sich die Netflix-Eigenproduktion seinem Ursprung vorzuziehen? In keiner Weise. Ist Rebecca dadurch aber auch gleich ein schlechter Film? Das steht auf einem anderen Blatt geschrieben.
Fakt ist, dass es ein Remake ist, welches scheinbar mit Ausnahme von Regisseur Ben Wheatley von niemandem zwingend gebraucht und erst recht nicht verlangt worden ist. Hitchcocks Werk hätte keiner Neuinterpretation bedurft. Die 1940er-Version setzt ihren Fokus auf ein tragisches Beziehungsdrama mit einem Krimi-Plot, welches sich schon bald seiner Mysterie vollends hingibt und daraus einen trostlosen Psychothriller entspinnt. Gleich so tut es ihm das Remake nach, mit dem einzigen Unterschied, dass er sich in den ersten 25 Minuten noch etwas länger und intensiver auf die Liebesbeziehung konzentriert. Die Rahmenhandlung des aktuellen Films bleibt seiner Vorlage dabei unverwechselbar ähnlich. Es finden sich kaum Neuheiten in ihm. Obwohl die Geschichte wie schon erwähnt an sich dieselbe ist und kein anderer Schwerpunkt gelegt wird, scheint etwas – im positiven Sinne – nicht zu stimmen.
Mittelpunkt dieser Erzählung ist die junge und naive Gesellschaftsdame einer reichen Aristokratin, welche schon bald die zweite Gattin des mysteriösen aber attraktiven Maxim de Winter wird. Zusammen bindet sich das frische Glück und zieht zum idyllischen Anwesen de Winters im Südwesten Englands, genannt Manderley. Doch wirken die Bediensteten und nahen Verwandten ihres Gattens alles andere als erfreut über ihre dortige Präsenz. In diesem Aspekt finden sich altbekannte Muster. Stetig im Schatten der Frau ihres verwitweten Ehemannes scheint sie von der Erwartung ihres neuen Umfeldes erdrückt zu werden. Das Schicksal der Protagonistin lässt sich dabei perfekt auf diesen Film übertragen. Die Erwartungen waren derart immens, dass er nur scheitern konnte. Gerade in Anbetracht der Vermarktung, man bekomme einen furchterregenden Schocker vorgesetzt. Dies ist eindeutig nicht das, was dieser Film sein möchte. Als eine vom Konflikt der Vergangenheit zerfressene Romanze mit Thriller-Elementen erfüllt er schon eher seine Funktion. Eine spannende Inszenierung lässt sich gewissermaßen nicht absprechen, dennoch verfehlt er als striktes Punkt-für-Punkt-Remake mit der Geschichte zu fesseln, die jeder kennt.
Das Klima dieser Geschichte wirkt jedoch durch die tolle Bildsprache und unwirkliche Formalität der auf die Hauptfigur niederprasselnden Abscheu fast noch enger. Hitchcocks Werk lässt sich nicht als heiteres, unbeschwertes Liebesstübchen bezeichnen, wusste aber (zwar selten, aber merklich) seine Lichtblicke zu zeigen. Dies bleibt in diesem Film nahezu vollkommen aus. Es wäre maßlos übertrieben zu behaupten, er könne seinen Vorreiter in diesem Punkt problemlos abhängen, aber schafft es rein inszenatorisch ein ähnliches Gefühl von Unwohlsein auszulösen. Im Gegenzug fällt die Narrative von Rebecca phasenweise unter seiner Düsterheit etwas eintönig aus. Und dies ist wiederum etwas, das im Film von 1940 vollkommen ausbleibt.
Dennoch genießt er beim weiteren Abgleich mit Hitchcocks Film seine Vorzüge. Da hätte man einerseits eine wunderschöne, die Stimmung makellos untermalende Cinematographie, welche in vielen Szenen alle negativen Beigedanken verblassen lässt. Eine traumartige Farbgebung, die authentische Ausstattung und die bilderbuchgleiche Kostümierung zeichnet eine exquisite, aufpolierte Optik mit grandiosen Shots und einer atmosphärischen Ausdruckskraft. Zu dem gesellt sich ein bravourös aufspielender Cast, der im Vergleich mit den oscarrenommierten Performances aus Hitchcocks Film vielleicht nicht komplett mithält, sich aber wirklich gut zur Schau stellt. Lily James spielt ihren Part als Anfangs Hals über Kopf ver- und geliebte, mit dem Lauf der Dinge aber immer verzweifelter werdende Frau sehr überzeugend, Armie Hammer gibt den geheimnisvollen Mann des Hauses mit der richtigen Mischung aus Charme und Intensität und Kristin Scott Thomas verpasst der kalten, obsessiven Haushälterin ihren ganz individuellen Anstrich.
Das hochkarätige Ensemble und die atemberaubenden Bilder überschatten weder seine fehlenden Innovationen noch Intentionen, treffen aber grundsolides Handwerk. Mit seiner kompetenten Inszenierung ist die Annahme dessen, dass Rebecca ein völliges Desaster sei, eine Annahme, welche man vielleicht noch einmal hinterfragen sollte. Erarbeitet der Film sich dadurch eine richtige Daseinsberechtigung? Nicht wirklich. Allerdings mindert das nicht seinen ganzen Anschauungswert. Ein unnötiges aber trotzdem passables Remake.
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