Ein Gefängnis in einem Turm, jede Zelle ist eine Ebene, je von zwei Insassen bewohnt, wie viele Ebenen es gibt, weiß niemand. Von der obersten Ebene fährt eine Plattform voller Essen und Trinken herunter, so viel, dass es eigentlich für jeden reichen würde. Nach einem Monat werden die Insassen eingeschläfert und wachen am nächsten Morgen in einer zufälligen anderen Ebene auf… Goreng lässt sich freiwillig für ein halbes Jahr im Schacht einliefern, um einen Abschluss dafür zu erhalten, doch die Zeit im Schacht ist härter als er dachte…

Die da oben gegen die da unten – ein klassischer Klassenkampf ist es, der in Der Schacht portraitiert wird. Kennen tun wir ein solches Konzept schon aus zahlreichen Beispielen wie Snowpiercer von Bong Joon-Ho. Neu in Der Schacht: Die spanischen Macher übertragen die Satire nicht in die Horizontale wie es noch in Snowpiercer der Fall war, sondern in die Vertikale. Obwohl der titelgebende Schacht ein sehr eingeschränktes Setting ist, verbleiben die Macher nahezu ausnahmslos in ihm und fokussieren sich damit gezielt auf eben jene Gesellschaftssatire: Es ist völliger Zufall, wo man als Insasse hineingesteckt wird; das gute Essen bekommen die, die das Los erwischt haben, eine der oberen Ebenen zu erwischen, das immerhin noch Nahrhafte erhalten die in den mittleren Ebenen und ganz unten kommt nur noch die Spucke von oben oder eben gar nichts mehr an. Es ist eine Allegorie, die wohl wirklich alle verstehen werden; die mehr als nur plakativ dargestellt wird. Aber Subtilität war zweifelsohne auch nicht die Intention der Macher. Sie wollen mit ihr schlicht einen Punkt machen, ohne abzuschweifen, ohne Ausflüge in Nebenerzählungen zu machen. Und diese kritische Allegorie zu flechten ist ihnen gelungen – teilweise.

Es gibt drei Arten von Personen: Die ganz oben, die ganz unten, und die, die fallen.

Denn was die Prämisse angeht, klingt Der Schacht natürlich sofort spannend. Es ist ein Konzept, das schon in seiner Natur interessant ist, das gleichzeitig aber auch eine Falle bereithält, in die Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia und seine Drehbuchautoren leider hereintappen. Wie bei jedem Kammerspiel und wie bei jedem Film, der auf einem solch simplen Konzept basiert, ist das Risiko da, dass sich das Konzept abnutzt, man sich nach einer Zeit denkt, man hätte genug gesehen, der Punkt wäre klar gemacht. Wenn der Film an sich nur aus dem Anfang und dem Ende bestehen müsste und man den Mittelteil schlicht entsorgen könnte, dann ist das ein Problem. So ist es nach meiner Ansicht auch bei Der Schacht. Während man im ersten Viertel des Films hochinteressante Exposition und politisch-gesellschaftliche Kommentare beobachten kann, verliert er sich in der Mitte leider ziemlich, um erst am Ende wieder so richtig zuzuschlagen. Das Resümee ist simpel: Der Schacht ist Kurzfilmmaterial und die Macher schaffen es aus meiner Sicht nicht, dieses Material so zu strecken, das man diese Tatsache ihrem Werk nicht ansehen würde.

So vernichtend dieses Urteil jetzt klingt, will ich es gleich ein wenig abfedern. Denn wenn Der Schacht noch etwas zu sagen hat, dann tut er es, und zwar auf eine richtig gute Weise. Die Kritik der Spanier ist teils bitterböse und bissig, wird inszenatorisch mit absoluter teils sehr gewaltintensiver Härte gezeigt. Zugegeben, es ist diskutabel, ob die Brechstangen-Methodik der Macher, einem die Botschaft des Films so direkt ins Gesicht zu drücken, nicht zu plakativ ist. Vielleicht ist sie es, vielleicht nicht, es ist schlicht Geschmacksache. Am Ende des Tages ist das, was Der Schacht formulieren möchte, aber schlicht unterhaltsam. Sein zynischer Witz, gerade zu Beginn des Films, zieht zudem richtig gut und gibt dem Unterhaltungsfaktor noch mal ein dickes Plus. Diesen Unterhaltungswert verliert er zusammen mit seinem Witz allerdings auf einer ziemlich linearen Kurve immer mehr. Trotzdem, zumindest der Anfang ist nach wie vor großartig.

Insgesamt verlässt sich Der Schacht ein wenig zu sehr auf seine eindringliche Prämisse, um wirklich ein guter Film zu sein. Gerade der Mittelteil ist zäh, die Allegorien häufig zu offensichtlich und plakativ und keine der Darsteller kann meiner Meinung nach wirklich überzeugen. Als brutal düsterer Horror-Thriller mit klarer Gesellschaftskritik und erfrischender Erbarmungslosigkeit ist der spanische Film aber trotzdem einen spaßigen und nachdenklichen Abend in der Quarantäne wert.

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