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Weil sein Partner plötzlich ermordet wurde, nimmt der Secret Service Agent Richard Chance dessen letzte Ermittlungen gegen einen Geldfälscher auf. Blinder Hass auf den Täter treibt ihn zu Methoden, die ferner von rechtmäßiger Polizeiarbeit nicht sein könnten. Als Richard beginnt, in die kriminellen Gefilde von Los Angeles einzutauchen, dauert es nicht lange, bis er selbst zur laufenden Zielscheibe wird und ein Entkommen schon zu spät erscheint.
Regie: William Friedkin
Drehbuch: William Friedkin, Gerald Petievich
Schnitt: M. Scott Smith
Kamera: Robby Müller
DarstellerInnen: William Petersen, Willem Dafoe, John Pankow, Debra Feuer
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 1h56min
Genre: Thriller, Action, Crime
BluRay

Keine Woche hätte mehr vergehen müssen, dann wäre Richard Chances (William Petersen) Partner Jim Hart (Michael Greene) in seinen wohlverdienten Ruhestand entlassen worden, doch alles kommt anders als erwartet. Hart wird unter entwürdigenden Umständen von Chance tot aufgefunden. Anscheinend kam er einem mächtigen Geldfälscher (Willem Dafoe), der unter dem Namen Masters bekannt ist, auf die Schliche und musste dafür mit seinem Leben bezahlen. Chance, der in Hart mehr als einen Kollegen sah, sinnt nach Vergeltung. Sein neu zugewiesener und regeltreuer Partner John Vulkovich (John Cody) hält Chance nicht davon ab, die noch frische Fährte aufzunehmen. 

Je mehr Fortschritte die beiden dabei machen, desto härter wird Chances Vorgehensweise gegenüber jedem, egal ob Verbrecher oder Gesetzeshüter. Früher oder später stellt sich automatisch die Frage: Wie weit darf die Loyalität gegenüber seinen Arbeitskollegen gehen, wo befindet sich die Grenze und wann überschreitet man sie? In seinem Wahn, Masters endlich kaltes Eisen an die Handgelenke zu legen, ist Chance jedes Mittel recht. Donnergrollen deutet schon zu Beginn die drohende Eskalation an. Während die Morgensonne die Stadt der Engel in einem pinken und orangenen Glanz weckt, schlummert die kriminelle Parallelgesellschaft und steigt bei Nacht aus ihren neonfarbenen Kellern auf die vom Mondlicht bläulich getunkten Gassen. 

Passend zu dieser Gegenüberstellung legt sich der beigesteuerte Soundtrack der Band Wang Chung über die Bewegtbilder, welcher die Melancholie und den Wahn von Richard auf die Trommelfelle knallt. Synthesizer-Drums prallen wie Paukenschläge aus den Boxen, reißen die atmosphärischen Szenen an sich. Mit jedem weiteren von Chances Entschlüssen heiligt der Zweck mehr die Mittel, bis zu dem entscheidenden Punkt, an welchem der Protagonist nicht nur sich selbst in Lebensgefahr begibt. Gänzlich kalt wirkt er, gefühlstot. Zu viele Abscheulichkeiten hat er schon gesehen und erlebt. Ist die Beziehung zu seiner Informantin zu Beginn noch vielversprechend, entpuppt sie sich als abgestumpfte, nur auf Sex ausgerichtete. Die sonst klare Grenze zwischen dem aufrichtigen Helden und dem niederträchtigen Antagonisten gibt es hier nicht. Sie verschwimmt zu einer grauen, biegsamen Linie, die beide Seiten überschreiten. Gerade Willem Dafoe spielt seine Rolle mit einer feminin angehauchten Eleganz, welche sein Schauspieltalent bereits 1985 beweist und dem Antagonisten mehr Charisma einhaucht als es dem Hauptdarsteller William Petersen gegönnt ist – und das ist so gewollt.

Regisseur William Friedkin schöpft aus dem Vollen und kreiert mit all seinen durchtriebenen Figuren einen weiteren, makellosen Geniestreich im Stile des Neo-noir. Chances Entscheidung, wirklich alles in Kauf zu nehmen, um Rache an dem Mörder seines besten Freundes zu üben, besiegelt sein Schicksal, lässt ihn zur Manifestation des Racheengels emporsteigen. Noch nie war die Abwärtsspirale moralischer Untiefen in atemberaubenderen Neonlichtern anzusehen. Leben und Sterben in L.A. ist sowohl in seiner Bildkomposition als auch seiner Figurenkonstellation die finale Version des Film noirs. Figuren, die zu Anfang noch eindimensional erscheinen, strotzen mit jeder weiteren Szene – nein, mit jeder weiteren Kameraeinstellung (!) – vor Ambiguität, welche sich in der ersten halben Stunde noch nicht einmal erahnen lässt! 

Diese Komplexität wird durch sämtliche Elemente der audiovisuellen Möglichkeiten bis zur Perfektion verfeinert. Friedkin nutzt das gesamte Waffenarsenal der bewegten Bildkunst, um ein Meisterwerk zu schmieden, das zu jeder Sekunde die Illusion aufrechterhält, mit allen Sinnen spürbar zu sein. So tänzeln Neonlichter über die Netzhaut und hinterlassen zugleich einen süßen Duft in der Nase. An anderer Stelle sorgen die stickigen Räumlichkeiten für trockene Münder. Als großes Ganzes agieren die ineinandergreifenden Versatzstücke. Kurz bevor der Abspann über den Bildschirm trudelt, zeigt der abschließende Gesichtsausdruck von Vulkovich die Intention Friedkins, die Erzählung und der Kreis schließen sich vollends: Niemand entkommt dem korrupten Großstadtdschungel, denn ein Fehler genügt und die graue Masse fern von jeglichen moralischen Prinzipien klopft an die Eintrittspforte der menschlichen Psyche. Friedkins Werk ist keine Attraktion, sondern ein Erlebnis.

Optisch reizend geschnittene Aufnahmen bilden zusammen mit dem markanten Soundtrack und den vielschichtigen Figuren eine überragende Symbiose des spannungsgeladenen und gefühlvollen Geschichtenerzählens. Im Genre des Thrillers nahezu unangreifbar verewigt sich der Regisseur William Friedkin abermals in filmenthusiastische Herzen und kreierte einen wahren Albtraum des brodelnden Untergrunds von Los Angeles.  

10.0
Punkte