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Fürchterliche Morde ereignen sich in den Nächten Bad Citys. Leichen säumen schon einen ausgedörrten Fluss der iranischen Stadt, welche mit ihren kleinkriminellen Ganoven und anderweitigem Elend genug zu kämpfen hat. Mittendrin betritt jeden Abend aufs Neue eine wortkarge, in einen Tschador gehüllte, grazile Frau die spärlich beleuchteten Straßen, auf der Suche nach nichts Geringerem als Blut. Und als sie auf den jungen Arash trifft, vielleicht auch auf eine langersehnte Liebe.
Regie: Ana Lily Amirpour
Drehbuch: Ana Lily Amirpour
Schnitt: Alex O’Flinn
Kamera: Lyle Vincent
Schauspieler*innen: Sheila Vand, Arash Marandi, Marshall Manesh
Land: USA
Sprache: Englisch, Farsi
Länge: 1h39min
Genre: Romance, Horror

Es ist eine Szenerie wie in einem Sergio-Leone-Western. Weite Kameraeinstellungen, meist Totalen und Supertotalen, etablieren Bad City, die heruntergekommene Ölzapfanlage und ihre verlorenen Bürger. Statt eines Steppenrollers durchdringen auf Persisch gesungene Lieder die in schwarz und weiß eingefangene Stille, während ein Drogendealer in den ersten Minuten von A Girl Walks Home Alone At Night im Deckmantel der Nacht Schulden eintreibt. Die Justiz greift nicht ein, auch im Rest der Laufzeit sind nie Ordnungshüter zu sehen.

Schon in ihren ersten Szenen legt die US-amerikanische Regisseurin Ana Lily Amirpour die grundlegendsten Eigenschaften des Handlungsortes offen. Bad City, eine Stadt – die ohne ihr Ölvorkommen wahrscheinlich längst vergessen wäre – strotzt vor Elend, einsamen Fahrwegen und ernüchterten Einwohnern. Wer hier aufwächst und lebt, ist perspektivlos. So auch Arash (Arash Marandi), welcher sich von seinem langersparten Geld zwar einen alten und wunderschönen Ford Thunderbird kaufen konnte, aber immer noch bei seinem drogenabhängigen Vater wohnt. Beide können schlicht nicht anders, dafür hat die Stadt ihr Leben zu sehr im Griff.

Bis eines Nachts eine verhüllte Frau (Sheila Vand) Arashs Leben drastisch verändert. In Tschador und T-Shirt gekleidet, geht sie, wenn das Mondlicht den Asphalt aufleuchten lässt, auf die Suche nach ihrem nächsten Opfer. Sie, diese Frau, ist eine Vampirin. Als sie wiederholt ihren Blutdurst stillen will, begegnet sie Arash und nimmt ihn mit zu sich nach Hause. Was dort die Filmschauenden zu sehen bekommen, ist wohl eines der intensivsten Aufeinandertreffen zweier Menschen, die sich zueinander angezogen fühlen – auch außerhalb des Horrorfilmgenres.

Vampire sind ein schwer zu bewältigendes Unterfangen. Jedenfalls in Filmen, denn es gibt dort definitiv mehr schlechte als rechte Blutsauger. Umso besser, dass Amirpour Abhilfe schafft.  Was sie mit ihrem Werk bewältigt, lässt staunen, reißt mit und fesselt. Auf schier unnatürliche Weise werden Versatzstücke verschiedener Filmepochen zusammengefügt, die eigentlich gar nicht vereint funktionieren dürften – und doch tun sie es. A Girl Walks Home Alone At Night ist nicht nur ein Vampirfilm, es ist Amirpours Ode an das Filmemachen selbst.

Die perfekten Kontraste des Film noirs treffen auf die Illusion der unendlichen Weiten eines Westerns – hier die langen Gassen und tristen Straßen. Vibrierende Bilder werden mit purem Bass unterlegt, welcher wortlosen Einstellungen Spannung beifügt. Fast schon dreist erscheint es, dass eine Vampirin in all diesen visuellen und akustischen Exzessen nie fehl am Platz wirkt, das Gesamtwerk sogar abrundet, auch mit Horror versiert.

Erzählt wird eine Liebesgeschichte, die nur wenige Worte verwendet. Aber wenn, klingen sie auf Persisch wunderschön. Amirpour, die ihre Zugehörigkeiten verarbeiten wollte, integriert als Tochter iranischer Eltern dieses Kernelement in ihren Film. Modern amerikanisch und klassisch iranisch zugleich kleidet sich ihre Vampirin, fährt in einer Szene mit dem Skateboard über die verlassene schwarze Teermasse Bad Citys. Nebenbei saugt sie den misogynen Männern das Leben aus, um selbst als Untote wieder lebendig zu sein. Eine doppelte Identitätskrise, die nirgendwo besser ersichtlich wird, wenn Arash bei ihr Zuhause steht, sie ihren Kopf an seine Brust legt und Arashs Herzschlag für die Filmschauenden mit wohligem Bass hörbar wird. Intensiv.

Feinfühlig stilisiert Amirpour ihre beiden in Bildern verewigte kulturellen Zugehörigkeiten und manifestiert sie in einer Vampirin, die den gesamten Film dank perfekt genutzter Filmkunst sowie Musik zu tragen im Stande ist. Eine originelle Verschmelzung von Vampirfilm mit iranisch anmutender Kulisse ist die Folge, gebunden in ein knapp hundertminütiges Kraftpaket. Das Resultat kann sich mehr als sehen – auch fühlen – lassen.

9.0
Punkte