©Marvel Studios
Drehbuch: Patrick Burleigh, Ryan Firpo, Chloé Zhao, Matthew K. Firpo
Schnitt: Craig Wood, Dylan Tichenor
Kamera: Ben Davis
Schauspieler*innen: Gemma Chan, Richard Madden, Kumail Nanjiani, Lia McHugh, Brian Tyree, Henry Lauren Ridloff, Barry Keoghan, Ma Dong-seok, Kit Harington, Salma Hayek, Angelina Jolie
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 2h37min
Genre: Superhelden
Sersi, Ikaris, Sprite, Ajak, Thena, Kingo, Druig, Phastos, Makkari, Gilgamesh. Die Riege der neuen Helden ist groß. Eternals sind sie, engelsgleiche Figuren, die von den göttlichen Celestials zur Bekämpfung der Deviants eingesetzt werden, eine verwandte Spezies zu den Eternals und eine Art missglückte Schöpfung der Celestials. Nachdem sie in den vergangenen Jahrtausenden vermeintlich alle Deviants ausgelöscht haben, haben sich die Eternals unter die Menschen gemischt. Bis diese auf einmal doch wieder auftauchen…
Die Geschichte von Eternals ist ausführlich und kompliziert. So versucht sich das Marvel Cinematic Universe mit seinem neusten Ableger an einem umfassenden Schaffens-Mythos, der die Dichtung der fiktiven Welt ergänzen soll. Zu diesem Mythos gesellen sich die oben genannten zehn (!) neue Charaktere, die um Sinn, Platz und Screentime buhlen und eine Historie von sage und schreibe 7.000 Jahren haben. Es schien von Beginn an eine Mammutaufgabe zu sein, all das in einem einzigen Film zusammenzuführen, ohne dabei zu vergessen, dass es in einem Blockbuster noch eine eigentliche Handlung benötigt.
Exposition Overkill
Eins muss man Eternals nun lassen: Oberflächlich betrachtet hat man das geschafft. Doch der zweite Blick auf den Event-Film offenbart, wie faul die Suppe doch ist, die hier gekocht wurde. Denn es scheint, als hätte sich Regisseurin Chloé Zhao der Aufgabe der Vereinigung von Mythos, Charakteren und Geschichte auf die falsche Art und Weise unterworfen. “Show, don’t tell” ist eine filmische Maxime, die ich eigentlich ungern zitiere, da sie eine Universalität angibt, die so eigentlich nicht gegeben ist. Hier zeigt der Lehrsatz aber gut auf, weshalb Eternals letztlich auf ganzer Linie gescheitert ist.
Denn Zhao macht das Gegenteil. Über die zweieinhalb Stunden Laufzeit von Eternals verwendet sie den Todfeind des “Show, don’t tell”-Leitsatzes: Die Exposition. Kurz gesagt erläutert man mittels Exposition die Ausgangssituation einer Handlung, einer Welt oder eines Charakters – und zwar mit Worten. Ein Mittel, dass zwar der Weg des geringsten Widerstands darstellt, um Informationen mitzuteilen – gleichtzeitig aber auch eine Art Kapitulation vor den komplexen Möglichkeiten des Mediums darstellt, da die Worte explizit für die Aufklärung des Publikums geschrieben werden und sich damit nicht organisch in die Welt des Films einfügen. Doch Zhao fand offenbar kein anderes Mittel.
Eternals besteht zu 90 Prozent aus Exposition und das ist Teil seines Niedergangs. Über den riesigen Großteil seiner Handlung hinweg werden schlicht Dinge erklärt: Wer sind die Eternals? Wer sind die Celestials? Wer sind die Deviants? Wie hängen sie zusammen? Wer ist Sersi? Wer ist Ikaris? Was war das gerade? Was machen wir jetzt? Wieso machen wir das überhaupt? Die Fragen sind zahlreich – und alle werden mit Worten erklärt. Durch die komplizierte Natur all dieser Zusammenhänge (insbesondere da das meiste im Cinematic Universe bisher nicht mal eine Erwähnung fand), kostet das Zeit. Diese völlig überzogene Exposition ist nicht nur der Grund, warum Eternals so eine lange Laufzeit hat, sondern auch warum so viele kritische Stimmen den Film mit dem unsäglichen Adjektiv “langweilig” beworfen haben.
Manchmal bekommt man das Gefühl, Zhao hätte gewusst, dass das kein gutes Filmmaking ist. Ihre Lösung: Größtenteils belanglose Actionszenen zwischen Sequenzen werfen, die kaum einen Zweck erfüllen außer zu verhindern, dass die Zuschauerin gähnend im Sessel versinkt. Leider bewirken sie das Gegenteil: Denn durch das häufige Fehlen eines Zwecks wirken sie mehr wie leere Hüllen. Dazu beitragen tun auch die Deviants, die besagte Actionszenen bevölkern und im Großteil des Films die Antagonisten darstellen. Denn anders als in der Vorlage sind sie nichts weiter als generische Computermonster, die keinerlei Interesse lockene.
Eine neue Truppe
Zehn völlig neue Hauptcharaktere finden Platz in Eternals. Zehn Superwesen, Zehn Engel, Zehn Unsterbliche. Der mächtigste unter ihnen: Ikaris, gespielt von Game of Thrones-Star Richard Madden. Ikaris ist ein gutes Beispiel dafür, warum auch die sonst übliche Stärke der MCU-Filme in Eternals nicht zu finden ist. Ikaris wirkt kalt, gefühllos und steril. Es fällt schwer, ihm auch nur einen einzigen Persönlichkeitszug außer eben “kalt” zu geben. Seine Gesichtslosigkeit mag zwar vielleicht zu einem Wesen seiner Art passen – dazu beitragen, dass wir uns mit den völlig neuen Charakteren akklimatisieren tut das aber nicht unbedingt.
Gleiches Spiel ist es bei Angelina Jolies Thena, die so blass ist wie ihre Perücke, und selbst bei Protagonistin Sersi (Gemma Chan). Zumindest bei letzterer hätte man ein klein wenig Charakterisierung erwarten können – da sie die meiste Screen Time hat – doch über ein belangloses Liebesdreieck wächst sie nie hinaus. Wie austauschbar alle Helden sind, war vielleicht sogar ein wenig erwartbar, enttäuschend ist es jedoch allemal. Nur einige der “kleineren” Figuren bekommen ein wenig mehr Fürsorge, zum Beispiel Phastos (Brian Tyree Henry), der zumindest für mich ein kleiner Lichtblick war, oder Sprite (Lia McHugh).
Es wirkt fast wie das alte DC-Problem. Viele unbekannte Gesichter auf einem Haufen ergeben noch keinen gelungenen “Teamup”-Film. Der Schlüssel für den großen Erfolg der Avengers-Reihe war schon immer, dass viele der Charaktere ihre Charakterisierung bereits abgeschlossen hatten – und man sich im gemeinsamen Film dann voll auf die Interaktion untereinander konzentrieren konnte. Gleichzeitig hat es erlaubt, Geschichten von größerer Tragweite zu erzählen. Denn diese Geschichten brauchen viel Zeit, um nicht aufgesetzt oder zu distanziert zu wirken.
Durch die zusammengewachsene Natur der Eternals mag das in dieser Form zwar nicht nochmal möglich gewesen sein und war vielleicht nicht mal gewollt, die Probleme sind jedoch dieselben. Anders als Captain America, Iron Man und Thor sind uns die austauschbaren Ikaris, Sersi und Kingo einfach egal – und damit funktioniert auch der kosmische Konflikt nicht. Die Zahnräder greifen nicht ineinander.
Positive Worte
Zum Schluss noch einige lobende Worte. Wie schon bei Shang-Chi ist es bemerkenswert, wie sich Marvel auf seiner Reise zum globalen Phänomen der unterschiedlichen Kulturen auf der Erde annimmt: von der amerikanischen Kleinstadt nach Bollywood über Paris bis in das alte Babylon. Genauso divers ist übrigens auch der Cast. Hervorragend.
Anders als viele Verwandte von Eternals wirkt Zhaos Film optisch sehr geerdet, und realistisch. Man merkt ihm die fast völlig fehlenden Studio-Aufnahmen an, das Licht fügt sich bis auf in den viel zu dunklen Actionszenen natürlich und auch die Kostüme wurden herausragend entworfen.
Fazit
Bedeutungsschwanger und fast schon prätentiös versucht Eternals, eine existenzielle Geschichte über die Menschheit zu erzählen. Doch mit einem traurigen Drehbuch und gesichtlosen Charakteren gelingt das zu keiner Sekunde. Mit dem Versuch, durch die Anstellung Chloé Zhaos, die bisher für Arthouse-Kino mit The Rider oder Nomadland bekannt wurde, einen “niveauvollen” Superheldenfilm zu inszenieren, ist Marvel aus meiner Sicht gescheitert. Die wie üblich bombastischen Schauwerte und die kulturelle Einfühlsamkeit vermeiden jedoch eine Katastrophe.