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Drehbuch: Panos Cosmatos, Aaron Stewart-Ahn
Schnitt: Brett W. Bachman
Kamera: Benjamin Loeb
Schauspieler*innen: Nicolas Cage, Andrea Riseborough, Linus Roache, Ned Dennehy
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 2h2min
Genre: Horror, Fantasy, Action
Stille Wasser sind tief, geruhsame Flammen unendlich. Genährt vom Sauerstoff der Emotionen, entwickelt sich Red Miller (Nicolas Cage) zu einer ebensolchen Flamme. Dabei könnte das zurückgezogene Dasein mit seiner Frau Mandy (Andrea Riseborough) nicht schöner sein. Die beiden kuscheln im Bett und reden über galaktische Phänomene, über die Mandy in einem ihrer heißgeliebten Romane gelesen hat. Ihre Blicke verraten, dass sie einander noch immer so lieben, als wären sie sich erst vor wenigen Minuten den Gefühlen für ihr Gegenüber bewusst geworden.
Für Außenstehende mag dieses Zusammensein langweilig wirken; für die beiden ist es frisch und aufregend. Doch ihre heile Welt wird erschüttert, als eine Sekte – angeführt von einem fanatischen Psychopathen – in das Heim eindringt und alles daran setzt, das romantische Dasein zu ersticken. Red brennen die Sicherungen durch, das schicksalhafte Ereignis verwandelt ihn in eine tobende Bestie, die von einem gefährlichen Gemisch angetrieben wird: Wut und Trauer.
Liebe als Brunnen der Aggressionen
Prägnant an diesem Werk ist, dass besagter Zustand erst nach etwas mehr als einer Stunde der kompletten Laufzeit erreicht wird – exakt ab dem Moment, wo der Titel des Filmes auf dem Bildschirm eingeblendet wird. Dort wird nämlich deutlich gemacht, worin die zentrale Motivation für den hasserfüllten Klimax liegt, nämlich in der titelgebenden Partnerin des Protagonisten. Anfänglich wird sich Zeit genommen, die Beziehung von Red und Mandy sinnlich und liebevoll darzustellen. Mal reden sie über das, was ihnen bei einer Zigarette durch die Gedanken kursiert oder schweigen bei einem spannenden Film auf dem Sofa.
Ausschlaggebend ist, dass sie es gemeinsam tun. Reds Welt dreht sich einzig und allein um die Liebe seines Lebens, an Bedeutung ist diese Wertschätzung nicht zu übertreffen. Er definiert anhand dieser Grundlage alles, was ihm Energie schenkt. Wenn man jemandem diesen Katalysator abstellt, gibt er nicht einfach schlotternd auf, bis auch die letzte Lampe erloschen ist. Vielmehr wirkt die Maschine mit voller Kraft dagegen, um auf Sparflamme bis zum bitteren Ende zu funktionieren.
Reds Feuer frisst sich fett am Qualm des Unheils und brennt daraufhin lichterloh. Liebe wird im Allgemeinen mit positiven Empfindungen konnotiert, weil sie emotionale Stabilität gewährleisten kann. Bricht besagte Stabilität weg, schöpft der Verstand verzweifelt aus allen Quellen, die einen am Leben erhalten. Aggression ist eine verlässliche Quelle dafür und der Hauptcharakter entlockt jedem kleinen Tropfen sein volles Potenzial.
Fiebriges Inferno
Somit offenbart Mandy sein zweites Gesicht, denn nachdem sich Red gewissermaßen von seiner Menschlichkeit verabschiedet, entfesselt er eine Tour de Force der Ultrabrutale. Auch wenn die Reaktion unkonventionell sowie überzogen wirken sollte, weiß die Intensität der Präsentation auch den letzten Zweifler zu überzeugen: Kurzerhand schmiedet er eine Axt, borgt sich von einem Freund eine Armbrust, setzt sich in seinen Truck und macht sich auf die Suche nach den Verantwortlichen, um sie zur Rechenschaft zu ziehen. Schäbig, schmierig und schamlos schießt und spaltet er sich durch zahlreiche Feinde, wobei es ihm nicht gleichgültiger sein könnte, wie viel Blut fließt.
Panos Cosmatos erzählt im Kern die simpelste Rachegeschichte, die man sich vorstellen kann, verpackt diese aber in ein sogartiges Gewand voller bunt-dunkler Farben, kalmierend-stimmungsvoller Musik und transzendentaler Kameraeinstellungen. Überstilisiert wird dem Ganzen nicht gerecht, Cosmatos inszeniert Landschaften des Surrealismus, bis die Schwarte kracht. Hier versagt auch jede Beschreibung dessen, was man in diesem Film zu sehen bekommt, da sie keinen Ansatz von Authentizität des Tatsächlichen widerspiegeln kann.
Schon während man dem Leinwandpaar beim Teilen intimer Momente beiwohnt, entzieht sich jedes Bild dem herkömmlichen Standard. Das Szenario sieht wie von einem fernen Planeten aus, auf dem von verfärbten Lichtstrahlen durchstoßene Nebelschwaden und abstrakte Sternbilder Tag und Nacht in Vorgärten tanzen.
Surrealismus in reinster Form fegt über die Bühne, deren heimelige Atmosphäre mehr zum Ausdruck bringt, als jedes gesprochene Wort im Film. In Gänze kann die psychedelische Stilistik nicht die Trägheit der Geschichte kompensieren, doch ist sie neben der empathischen Inszenierung des Konfliktes genau der Faktor, weswegen jene nicht nur aus der Reihe fällt, sondern sie regelrecht regiert. Egal, wie viele Liter Wasser auf diese Flammen geschüttet werden: Das Inferno von Mandy absorbiert die Flüssigkeit und breitet sich immer weiter aus.
MANDY IST AKTUELL (STAND: 26. FEBRUAR 2024) BEI MUBI VERFÜGBAR
8.0 Punkte
Dorian
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Die Leidenschaft Filme jeder Art in sich hinein zu pressen, entbrannte bei mir erst während meines 16. Lebensjahres. Seit diesem Zeitraum meines Daseins gebe ich jeder Bewegtbildcollage beim kleinsten Interesse eine Chance, seien es als Pflichtprogramm geltende Klassiker oder unentdeckte Indie-Perlen.