©Netflix Inc.
Drehbuch: Jeff Rowe
Visuelle Effekte: Mike Lasker
Sprache: Englisch
Länge: 1h54min
Genre: Animation, Comedy, Family, Adventure
Die Mitchells sind ein völliges Durcheinander – vom kleinen Dinosaurier-Enthusiasten-Bruder über den matschigen Mops Monchi, die Instagram-süchtige Mutter und den unsensiblen, altmodischen Vater bis hin zur schrullig-kreativen Teen-Agerin Katie. Dieses Tohuwabohu – ein Wort, dass die Familiendynamik der fünf treffend beschreiben dürfte – könnte man als Kennwort für den gesamten Film verwenden. The Mitchells vs. The Machines ist völlig chaotisch, überladen mit Eindrücken, überstilisiert und quatschig wie nur irgendwie möglich. Es ist ein Familienfilm durch und durch, der auf ganz besondere Weise sowohl Eltern als auch Heranwachsende ansprechen dürfte, und der neben seinem albernen, aber hervorragend sitzenden Humor, auch noch ganz schön was im Köpfchen hat.
Über der Beziehung von Katie und ihrem Dad schwebt seit ihrer Pubertät der bedrohliche Schatten des Generationenkonflikts, der sich in ihrer Adoleszenz – sie steht nun kurz vor ihrem College-Start – zum Höhepunkt aufschwingt. Es ist das maßgebende Thema, dass der Animationsfilm anspricht: Der Gen Z-Boomer-Konflikt wird hier von oben bis unten ausgiebigst beleuchtet. Der technophobe Vater, der von der Natur sinniert und von den wild geschnittenen Filmen seiner Tochter nichts sehen möchte und die in der Digitalisierung aufgewachsene Teenagerin, die in Meme-Kultur schwimmt und von den kommunikativen Vorteilen der Globalisierung profitiert. Ein Gegensatz, bei dem sich die meisten von euch schon denken können, worauf der Großteil der Späße abzielt. Dadurch, dass gerade die jüngere Generation den Gros davon auch im echten Leben schon einmal erlebt haben dürfte, sitzt nahezu jeder davon und zeigt pointiert, wie und weshalb die beiden Generationen so weit voneinander wegdriften.
Seit Jahren habe ich nicht mehr so einen lustigen Film wie diesen gesehen. Wir lagen dank der größtenteils sehr visuell fokussierten Gags teils auf dem Boden vor Lachen. Nicht mal die eigentlich unsäglich hohe Gag-Dichte störte, da wirklich jeder – also jeder! – Witz saß. Selbstverständlich basiert das auf reiner Subjektivität, aufgrund der ständigen Identifikationsmöglichkeiten von Gen-Z, Millenials und selbst der Boomer-Generation, dürfte das aber für viele gelten. Was dieses Werk dann aber zu etwas höherem katapultiert, ist, dass er trotz des unaufhörlichen Klamauks nicht seinen emotionalen Kern verliert.
So wird das emotionale Problem, unter dem die gesamte Familie, aber vor allem Vater und Tochter, leidet, immer wieder vorangetrieben. Es wird neben den Gags mit ernsten und teils sogar berührenden Szenen gespeist und zum Schluss auf einen zufriedenstellenden Höhepunkt getrieben, der mit einer simplen, aber wichtigen Botschaft aufwartet. Dabei betreiben die Autoren Writing auf dem allerhöchsten Niveau: Die Szenen sind nicht nur witzig, sondern zielen stets darauf ab, entweder einen Charakter oder eine Beziehung zu durchleuchten, die besprochenen Themen der Digitalisierung und des Generationenkonflikts detaillierter zu betrachten oder die Identifikation der Zuschauer mit dem Gesehenen zu stärken, um die anderen Szenen wirksamer zu gestalten. Es ist Effizienz pur, was ein ausdrückliches Lob verdient.
Stets vermeidet The Mitchells vs. The Machines es dabei, seinen zweiten Konflikt – die überbordende Digitalisierung unserer Gesellschaft – zu schwarz-weiß zu zeichnen. Die Macher kritisieren die immense Macht der Silicon Valley und ihr heuchlerisches Unschuldsgeteue, sie kritisieren die negativen Folgen der ständigen Selbstdarstellung in den Sozialen Medien, sie kritisieren die Always-On-Sucht, die digitale Endgeräte naturgemäß mit sich bringen. Doch im gleichen Zuge stellen sie die positive Seite davon immer wieder in den Vordergrund: Die Vernetzungs-Möglichkeiten, das künstlerische Potential, dass technischer Fortschritt mit sich bringt und die Passionen, die durch ihn entstehen. Der Film verbleibt nicht bei einem einfachen “Schaut weniger aufs Handy und geht mehr raus”, sondern verbindet die Faszination des Internets mit der bewährten Schönheit des “echten Lebens” und plädiert auf eine Versöhnung der beiden Generationen, die sich in den letzten Jahren viel zu sehr eingegraben haben. Durch diese vielen sozialen Kommentare wirkt The Mitchells vs. The Machines bisweilen geradezu satirisch.
Ganz wie Spider-Man: A New Universe stellt das neuste Werk des Animationsstudios Sony Pictures Animations – die übrigens auch für The Emoji Movie verantwortlich sind – erneut eine bahnbrechende Visualität in den Mittelpunkt. Statt photorealistischer Zeichnungen tauchen die Macher in die Welt der kreativen Protagonistin und ihre Sketch Books ein: Die Figuren sind Cartoon pur, die 3D-Szenen visuell angereichert mit gekritzelten Symbolen und Köpfen, Memes, Filtern & Co. Sie begeben sich mit der Animation in die Welt ihrer Figur. Das ist nicht nur filmisch perfekt gemacht und trägt viel zu der komödiantischen Energie des Films bei, es zeigt sich auch allgemein kreativ, farbenfroh und lebhaft: Gerade in seiner Visualität braucht sich The Mitchells vs. The Machines nicht vor dem hochgelobten Spider-Man verstecken.
9.0 Punkte
Fazit
The Mitchells vs. The Machines mutet zunächst als simpler Familienfilm an. Doch bereits nach wenigen Minuten wird klar: Das neuste Netflix-Original ist eine meisterhafte Vereinigung von Familiendrama, klamaukigem Humor und Gesellschaftskritik. Eine oberflächlich betrachtet simple und vorhersehbare Story offenbart ihr Potential in der genial geschrieben Umsetzung davon. Es dürfte sich hierbei schon jetzt um eine der größten Überraschungen des Jahres handeln und hebt das Animation-Studio von Sony in den Genre-Olymp.