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Robert Billiot (Mark Ruffalo) ist jahrelang als Unternehmensverteidiger tätig, doch sein spektakulärster Fall ist seine Anklage gegen das Chemieunternehmen DuPont. Er wirft dem Chemieriesen vor, giftige Chemikalien in den Ohio River zu leiten und Schlämme, die ebenfalls gefährliche Stoffe enthalten, in einer nicht abgedichteten Deponie zu entsorgen. Das Trinkwasser sei von der Kontaminierung betroffen, Tiere sterben und Menschen erkranken an Krebs.
Regie: Todd Haynes
Drehbuch: Matthew Michael Carnahan, Mario Correa
Kamera: Edward Lachman
Schnitt: Affonso Gonçalves
DarstellerInnen: Mark Ruffalo, Anne Hathaway, Tim Robbins, Bill Camp
Land: USA
Sprache: Englisch
Länge: 2h7min
Genre: Drama, Thriller
Verfügbar auf:
– In Deutschland aktuell keine Verfügbarkeit

Als geistiger Nachfolger von Spotlight betritt Dark Waters filmische Gewässer, die mit einer beachtenswerten Menge an Prestige aufgeladen sind. Vor fünf Jahren war Spotlight großer Kritiker- und Publikumsliebling und wurde letztendlich mit dem “Best Picture”-Award der Academy dafür gerühmt. Eigentlich alle Kriterien, die aus Spotlight den Film gemacht haben, der er letztendlich so erfolgreich geworden ist, werden auch von Dark Waters (der Original- und deutlich passendere Titel von Vergiftete Wahrheit) erfüllt. Da wäre natürlich die Schauspieler-Parallele mit Protagonist Mark Ruffalo, vor allem aber die absichtlich trockene, höhepunktlose Inszenierung, die allein mit der Intensität der untersuchten Geschehnisse ihre Wirkung und ihren Sog entfalten soll. Dass das für meinen Teil bei Spotlight nur bedingt geklappt hat, soll ein Thema für einen anderen Tag sein. Dark Water selbst ist nämlich ein fast durchweg gelungenes Investigativ-Drama, das mit den Entdeckungen, das es untersucht, brillant umgeht, und weiß, die Gravität der Informationen, die der Zuschauer dadurch erhält, filmisch geschickt zu kanalisieren.

Ein wichtiger Punkt, warum Dark Waters so präzise ins Mark trifft, ist alleine die Alltäglichkeit der Objekte, die von dem Skandal betroffen sind, der vom Protagonisten Robert Bilott aufgedeckt wird. Herausfinden tut Bilott, dass ein Chemie-Unternehmen zur Herstellung zahlreicher Alltagsgegenstände eine enorm langlebige Chemikalie verwendet, die vom Körper kaum abbaubar ist – mehr sei hier einmal nicht gesagt. Zu diesen Gegenständen gehören unter anderem auch beschichtete Bratpfannen und mal ehrlich: Wer hat die nicht im Haus? Diese Nähe zum Thema, dieses Gefühl der eigenen Betroffenheit, ist es, was die Intensität von Dark Waters ausmacht. Dabei spricht der Film bisweilen mit einer ebenso wütenden Stimme wie sie in unseren Köpfen auftaucht, wenn wir mit dem Protagonisten Stück für Stück mehr darüber herausfinden, was es mit all dem auf sich hat. Durchdrungen wird man von der Härte von Dark Waters spätestens dann, wenn man realisiert, wie man als Person alldem einfach ausgesetzt ist, ohne etwas ausrichten zu können.

So baut Regisseur Todd Haynes gerade in der ersten Hälfte, die sich besonders mit dem Einzelschicksal des Farmers Wilbur Tennant beschäftigt, trotz der Spotlightesquen sachlichen, generischen Inszenierung, langsam aber sicher ein beachtliches Momentum auf. Inmitten der Laufzeit, nach dem investigativen Höhepunkt von Robert Billott, nimmt das Drehbuch leider den Gang komplett raus, zieht einmal mit aller Macht die Zügel und verliert dadurch einiges an der angenehm hohen Geschwindigkeit, mit der Dark Waters nach einiger Zeit vorangeprescht ist. Es ist diese Phase, das dritte Viertel in etwa, das der einzige wirklich schwarze Fleck auf der sonst ziemlich weißen Weste des Films ist, was sein Pacing angeht. Ich verstehe die Intention der Macher, da die Figur Mark Ruffalos jene Bremse ebenso durchmachen musste, für das Medium Film reißt es einen aber dennoch zu stark heraus. Immerhin wird auch dieser Teil nach wie vor von der schieren Wut, die die Thematik von Dark Waters in unseren Köpfen auslöst, getragen, wenn man sich bewusst wird, wie selbst ein Erfolg vor Gericht, der dem Konzern vielleicht ein halbes Jahres-Einkommen kosten würde, an der Welt, in der wir leben, absolut nichts ändern würde.

Der Langeweile, die man aufgrund der Natur der Inszenierung ganz automatisch befürchtet, entgehen die Macher glücklicherweise, was neben der erwähnten thematischen Nähe zum Zuschauer auch an den fantastischen Performances liegt, die einen in den Film einsaugen. Nicht nur von Bill Camp, dessen Figur am härtesten von dem Skandal betroffen ist, sondern auch von Mark Ruffalo. Es liegt nicht allzu fern, zu sagen, dass er hier die beste Performance seiner Karriere hinlegt, so präzise, wie er hier den business-getriebenen Anwalt porträtiert, der angesichts der für ihn schockierenden Schwere der Entdeckung vor Gewissens- und Heldentums-Fragen gestellt wird. Seinen Charakter durchdringt eine gewisse Bessenheit, die Dark Waters nur umso besser macht. Inszenatorisch bleibt Todd Haynes weit weg von Melodrama oder kinematographischer “Schönheit”, er zeigt stattdessen schlicht und einfach die Wahrheit, die Dark Waters darstellt. Simpel, aber effizient. Das Drehbuch ist sehr geradeheraus geschrieben, ohne große Spielereien und mit einer Message unter der Oberfläche, die zwar mit “Sei ein Held” simpler kaum sein könnte, passender jedoch auch nicht.

Dark Waters ist ein Verschwörungs-Thriller, der genau wie sein abgebildetes Thema sehr viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Auch ohne ergreifende, emotionale oder manipulative Inszenierung weckt er zumindest immer wieder nihilistische Züge in einem, eine Wut auf alle kapitalistischen Konzerne unserer Welt und gleichzeitig einen tiefen Respekt gegenüber Menschen wie Billot, die sich ihnen mit all ihren Mitteln gegen jene Unternehmen stellen. Auch Dark Waters hat seine langwierigen Stellen, kommt langsam in Fahrt, um dann sein hart erkämpftes Momentum irgendwann einfach wieder abzugeben, und der Verzicht auf jegliche inszenatorische und erzählerische Spielereien mag nicht jedem nahe gehen – für mich war Dark Waters aber eine sehr positive Überraschung, die mich meine Sympathie zu Teflon-Beschichtungen ausgiebig überdenken lässt…

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