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Drehbuch: Derek Cianfrance, Darius Marder, Abraham Marder
Schnitt: Mikkel E.G. Nielsen
Kamera: Daniël Bouquet
DarstellerInnen: Riz Ahmed, Olivia Cooke, Paul Raci
Sprache: Englisch
Länge: 2h1min
Genre: Drama
Das Mikrofon quietscht eine Sekunde, die Singstimme der Bandkollegin und Freundin stimmt schreiend an und es geht los: Das Schlagzeug ist Rubens (Riz Ahmed) Welt. Es ist sein Tor zur Freiheit, sein Weg zur Katharsis, sein Ventil, um alles herauszulassen. Zwei Szenen gleich zu Beginn von Sound of Metal geben uns einen Eindruck des Weges, den Rouben und Lou (Olivia Cooke) gehen – ihre Touren, ihre Konzerte, ihre schweißtreibenden Verausgabungen und ekstatischen Eskalationen auf der Bühne.
Es sollen die letzten sein, die wir zu Ohren bekommen, und in wir ist Ruben selbst eingeschlossen. Denn plötzlich besetzen statt wilden Schlagzeug-Sounds und sprechenden und lachenden Stimmen nur noch Dröhnen und Piepsen seinen Gehörgang. Er verliert einen seiner Sinne. Und seine Welt steht vor dem Abgrund. Was, wenn man das verliert, das seinem Leben Identität gab? Wenn man aus einer Welt voller Lärm in eine Welt voller Stille geschmissen wird? Wenn man die Säule, die ein recht fragiles Leben (wie Ruben und Lou es haben) zusammenhalten, plötzlich einbricht?
So tun, als wäre die Säule noch da? Versuchen, die Säule zu restaurieren? Oder den entstandenen Trümmerhaufen einfach ordnen und entdecken, dass auch jenseits der bisherigen Welt weitere, ebenso schöne Welten liegen? Obgleich der Titel und das Plakat gegensätzlich anmuten, dreht sich Sound of Metal nicht um Musik oder das Leben eines Musikers. Es dreht sich um die Frage, was geschieht, wenn einem Menschen die Identität entrissen wird.
Darius Marder, der Regisseur des Films, verwendet zur Darstellung der neuen Welt von Ruben eine Sound-Inszenierung, die seinesgleichen sucht. Wie er Ton verwendet, um einen unmittelbar in die Gefühlswelt des Protagonisten zu versetzen, lässt einen klaustrophobisch erschaudern. Gerade weil der Regisseur immer wieder Rubens Gehörwelt und die eines Dritten nebeneinanderstellt und überschneiden lässt. Seine Spitze findet dieses Sound Design gegen Ende, wenn der Titel von Sound of Metal langsam Sinn ergibt. Er bringt den Zuschauer in Situationen, die einen wütend und verzweifelt machen. Das Sound Design ist so effizient verwendet, dass es Sound of Metal im Alleingang in ein intensives thrilleresques Humandrama sondergleichen transformiert.
Zweiter Star des Films ist Riz Ahmed. Alles an seiner Performance ist voller Emotionen, voller Ruben. Er verkörpert den gegabelten Konflikt in ihm – zum einen endlich Ruhe zu finden und seine Situation zu akzeptieren oder zum anderen alles dafür zu tun, sein altes Leben zurückzugewinnen – mit einem packenden Auftritt voller Wut. Eine Wut, in der immer Hilflosigkeit, Furcht und gleichzeitig Ehrwürdigkeit mitschwingt. Er spielt sich zu einem der wahrscheinlich nahbarsten Charaktere in jüngster Filmhistorie. Selbst wenn er nicht spricht. Verdient ohne jeglichen Zweifel eine Academy-Nominierung. Unterstützt wird er dabei von einem Drehbuch, das wundervoll nuanciert seiner Situation einen Rahmen gibt. Es ist respektvoll und gleichzeitig erbarmungslos, subtil und gleichzeitig nicht zu enigmatisch oder bedeutungsschwanger, voller Charaktere und Situationen, die alle ihren Platz haben und sinnvoll eingewoben werden. Eigentlich perfekt.
Sound of Metal fängt die Fragilität der eigenen Identität ein. Darius Marder und Riz Ahmed lassen einen auf physische Weise erleben, wie es ist, einen seiner Sinne und damit seine Identität zu verlieren. Doch während sie den Zuschauer in eine nervenaufreibende und furchteinflößende Situation werfen und diese auch spüren lassen, geben sie gleichzeitig auch Perspektive, Hoffnung und Ruhe. Sound of Metal ist ein selbstbewusster Film über Verlust und Akzeptanz, der ohne Pathos zu den emotionalsten Szenen des Jahres führt und eine simple, aber bloße Botschaft mitgibt. Ein großartiger Film, der seine Aufmerksamkeit verdient.
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