Nach Jahren der Aufrechterhaltung der Social-Media-Kampagne #ReleaseTheSnyderCut steht das Ziel der Bewegung nun vor der Wirklichkeit. Zack Snyders’s Justice League erscheint auf Warners hauseigener Streaming-Plattform HBO Max: Ein vierstündiges, düsteres Mammutwerk, das genau dem entsprechen soll, was sich Zack Snyder für den dritten Teil seines DC-Filmuniversums erhofft hatte.

Snyder war einst die große Hoffnung von Warner dafür, ein Cinematic Universe mit bekannten DC-Helden zu etablieren (selbstverständlich mit dem großen Vorbild des MCU im Sinn). Ihm galt zunächst großes Vertrauen von Warners Seite aus: Er sollte seinen Stil umsetzen, seine Vision einer einzigartigen Filmreihe, auch um sich von dem bereits erfolgreichen MCU herabzusetzen. Die Ergebnisse waren der der Auftakt mit dem zerstörungswütigen Man of Steel und die Folge mit dem hochemotionalen Batman v Superman. Weiter kam er nicht.

Im dritten Teil der Verfilmung seines DC-Filmuniversums war Snyder aufgrund privater Tragödien gezwungen, vom Projekt Justice League mitten in den Dreharbeiten zurückzutreten und sein “Baby” den Schirmherren von Warner zu überlassen. Die folgten mit einem dramatischen Umschwung: Nachdem BvS finanziell nicht die immensen Erwartungen des Verleihs bestätigen konnte und Kritiker- und Fanstimmen überwältigend negativ waren, sorgten sie mit der Anstellung von Joss Whedon, der nahezu den kompletten Film neudrehte, für eine stilistische 180°-Wende.

Statt epischer Düsterkeit sollte das DCEU fortan dem leichten Ton des MCU folgen. Und so war es auch: Das kanonische Endergebnis von Justice League war und ist meilenweit entfernt von dem, was Snyder sich ursprünglich imaginierte. Und auch für die Folgefilme, die Snyder eigentlich schon fest geplant hatte, wurde der Regisseur und Produzent nicht mehr eingeplant. Doch was war die ursprünglich Vision von Snyder? Was hätte nach Zack Snyder’s Justice League, der ja nun doch noch über die heimatlichen Bildschirme flackert, kommen sollen?


Im folgenden Text handelt es sich um das Zusammentragen der vielen vielen Informationsfetzen, die Zack Snyder im Laufe der Jahre seit Batman v Superman über seinen ursprünglichen Plan veröffentlichte. Da er nie die Chance bekam, die Filme zu verwirklichen, bilden auch die Informationen keine vollständige, lückenlose Handlungslinie ab. Deshalb wurden die Informationen teils um Spekulationen ergänzt, um ein mögliches Handlungsszenario nach der Vision Snyders zu verwirklichen.

Kurz gefasst ist Snyders Vision des DCEU thematisch folgendermaßen zusammenzufassen: Er wollte die seit Jahrzehnten etablierten Helden, deren Geschichten schon hundertfach erzählt wurden, und ihren Mythos dekonstruieren und sie auf eine solche Weise porträtieren, wie sie sich in einer depressiven, “realistischen” Welt entwickelt hätten. Was für Herausforderungen gäbe es für gottgleiche Figuren in einer politisierten Welt, wie würde ein vom Schicksal getriebener Verbrechensbekämpfer mit der Desillusionisierung seiner eigenen Ideale umgehen können? Synder wollte die mythologischen Helden an die heutige Welt anpassen.

Umgesetzt werden sollte all das nicht in einem theoretisch unbegrenzt fortgeführten Filmuniversum à la MCU, sondern in einer festen Pentalogie. Fünf Filme hätten es werden sollen, die eine einzige epische, düstere Geschichte erzählen sollten.

Man of Steel

Teil 1 von Snyders erträumter Saga ist nahezu identisch mit dem Produkt, das 2013 in die Kinos kam. In der Origin-Geschichte von Kal-El alias Clark Kent alias Superman muss er sich auf der Erde zurechtfinden, mit der Offenbarung seiner Herkunft haushalten und anschließend gegen General Zod, verantwortlich für den Tod seiner kryptonischen Eltern, antreten, der aus der Erde ein neues Krypton erschaffen will. Der Kampf der beiden fordert immense Opfer in der Stadt Metropolis, auch ziviler Natur und nicht nur das – Superman ist zuletzt dazu gezwungen, seinem Widersacher das Genick zu brechen. Das alles offenbart sich in einer wilden Zerstörungsorgie, deren Konsequenzen im Folgeteil thematisiert werden.

Batman v Superman: Dawn of Justice

Denn die Konsequenzen der kolliderenden Gottesfiguren sollten von Snyder unbedingt in den Mittelpunkt gestellt werden. Das sollte aus der Perspektive von Batman selbst passieren, der die zerstörerische Katastrophe des Superman-Zod-Kampfes “von unten” miterlebt. Schnittpunkt dabei ist der Kollaps eines Wayne Towers, der von Snyder als “psychisches Trauma” à la 9/11 inszeniert wurde. Nach dem Tod von Bruces Eltern ein zweites Trauma: Sein Blick auf den Kryptonier ist hasserfüllt, er macht ihn für das Desaster verantwortlich.

Ergänzt wird die skeptische Sicht auf Superman mit einer Nebenhandlung in einem nicht näher genannten Land in Afrika, wo Clarks Freundin Lois Lane einen Warlord interviewen möchte. Die Aktion geht nach hinten los, den Comicfans bekannten Fotografen Jimmy Olsen geht es an den Kragen (sein Opfer hätte in Snyders Vision vermutlich eine größere Rolle gespielt, über genaueres wusste er jedoch selbst nicht Bescheid), und Lois selbst wird von Superman gerettet. Übrig bleiben getötete Zivilisten und Anhänger des Warlords, wofür Superman als verantwortlich inszeniert wird. Folgen tut ein weltweit wachsendes Misstrauen gegenüber dem Superhelden, die sogar einen Untersuchungsausschuss nach sich zieht, der wiederum in einer Katastrophe endet. Supermans moralischen Werte werden auch von der Gesellschaft in Frage gestellt.

Batman selbst hat über Jahrzehnte des Verbrechensbekämpfens in Gotham City seinen moralischen Kompass verloren. Sein Geist ist verkommen nach einer unendlich wirkenden Reihe an Rückschlägen, darunter auch der Tod seines Robin-Sidekicks Dick Grayson durch den Superschurken Joker. Die Konsequenz: Er ist zu dem geworden, was er einst in Gotham bekämpfte und schreckt auch vor dem Töten nicht mehr zurück. Im späteren (berüchtigten) “Martha-Moment” findet er zumindest ein Stück weit in die richtige Bahn zurück, die sich in den Folgefilmen fortführen sollte.

Seine bis dahin nihilistische Weltsicht zeigt sich in einer der meist besprochenen Szenen von Batman v Superman: In der Knightmare-Sequenz wirft Bruce im Traum einen Blick auf die Zukunft, die im DCEU-Kanon folgend völlig fallengelassen wurde. In einem apokalyptischen Amerika muss er sich gegen die in Justice League erneut auftretenden Paradämonen erwehren und wird anschließend von einem böse gewordenen Superman gestellt. Bevor er aufwacht, erlebt er eine weitere Vision von einem panisch wirkenden Flash, der diese mögliche Zukunft verhindern möchte. Mehr dazu weiter unten.

Die Erschaffung Doomsdays durch die Hände von Lex Luthor sorgte nicht nur für den erste gemeinsamen Auftritt des Superman-Batman-Wonderwoman-Trios. Gleichzeitig etablierte sie im folgenden Kampf Superman erneut als heldenhafte Figur, ließ das Schicksal von Doomsday offen (laut Zack Snyder sollte er überleben, über einen möglichen zweiten Auftritt sprach er jedoch nie) und er sorgte mit dem Todesschrei, der im ganzen Universum nachhallte, dafür, dass die Mutterboxen aufgeweckt werden und somit Steppenwolf und Darkseid auf den Plan rufen, die hauptsächlichen Gegenspieler in den drei erdachten Folgefilmen.

Justice League

Die Handlung von Snyders Justice League sollte grob dem Ablauf des im Kino veröffentlichten Films folgen: Besagter Steppenwolf kommt auf die Erde, um die besagten Mutterboxen an sich zu reisen, gerät mit der Justice League aneinander – bestehend aus Batman, Wonder Woman, Cyborg, Flash und Aquaman, und wird schlussendlich besiegt. Die wichtigste Unterschiede:

Cyborg: Justice-League-Mitglieder wie Flash und Cyborg hätten eine deutlich detaillierte Charakterisierung erfahren, letzterer wurde von Snyder sogar als “Herz” des Films bezeichnet.

Batman: Gerade am Anfang des Films wäre die Detektivarbeit Batmans stark in den Fokus gerückt worden. Von den Paradämonen hätte er beispielsweise von dem im Arkham Asylum festgehaltenen Lex Luthor nach einer brutalen Befragung erfahren.

Darkseid: Gegen Ende des Films hätte die Justice League in einer weiteren Knightmare-Sequenz einen ersten Blick auf den wahren Gegenspieler des Snyder-DCEUs erhaschen können: Darkseid. Laut einem Crew-Mitglied sollte in Justice League bereits eine einzelne Green Lantern auftauchen. Möglicherweise hätte auch sie etwas von Darkseid berichtet – das ist aber nur eine Vermutung.

Superman: Erst im Finale von Justice League wäre Superman wertelos und gebrochen in schwarzem Anzug wiederbelebt worden und hätte erst durch Lois Lane wieder zu sich gefunden.

Justice League 2

Die Filme, die wir von Snyder nie zu Gesicht bekommen werden, wären in Form einer Justice-League-Trilogie verwirklicht worden. Zentraler Fokus des ultra-düsteren Justice League 2 wäre dabei Darkseid gewesen, von dessen bedrohlichen Existenz die Superhelden am Ende des Vorgängers erfahren hätten. Im Film wäre das wieder mit Superman ergänzte Justice-League-Team von der Erde aufgebrochen, um Darkseid auf dessen Heimatplaneten gemeinsam mit dem in Justice League 2 neu eingeführten Green Lantern Corps gegenüberzutreten.

Der Angriff endet in einer Katastrophe: Die Justice League und die Green Lantern Corps unterliegen Darkseid durch eine schwerwiegende Wendung. Lois Lane verliert ihr Leben (die genauen Umstände kennt nur der Zack Snyder der Zukunft), was Supermans Wertekompass erneut in sich zusammenfallen lässt. Er verfällt der “Anti-Leben-Gleichung” von Darkseid, eine mathematische Gleichung, die die Sinnlosigkeit der Menschheit beweisen soll, wodurch er sich gegen die Justice League wendet und sie gemeinsam mit dem Superschurken besiegt. Die Helden müssen zusehen, wie Darkseid in Richtung Erde aufbricht und diesen größtenteils zerstört und in die post-apokalyptische Wüste verwandelt: Die Zukunft, die Flash bereits vorhergesehen hatte.

Justice League 3

Im letzten Teil der epischen, nie erscheinenden DC-Pentalogie von Zack Snyder dreht sich alles um die Annullierung der düsteren Zukunft, mit der Justice League 2 geendet hätte. Die geschlagenen Helden versuchen alles, um rückgängig zu machen, was passiert ist. Am besten erkläre ich euch die Handlung in Zack Snyders eigenen (frei übersetzten) Worten:

“Es ist der Fall der Erde, Superman dem Anti-Leben erlegen. Doch dann wird Flash mithilfe von Batman und Cyborg in der Zeit zurückgeschickt, um ein einziges Ereignis zu ändern, damit der Fall von Superman nicht passiert: Der Tod von Lois Lane. Dann die große Schlacht: Wenn Darkseid auf die Erde kommt, in dem Film, den man nie sehen wird, vereinen sich die Armeen der Erde wieder, so wie sie es vorher getan haben. Diesmal wären da Flugzeugträger und Spezialeinheiten, alle Armeen der Welt kämen zusammen, ebenso wie die Atlanter, die aus dem Ozean aufsteigen, und die Themysciraner, die von ihrer Insel kommen. Das ist das große Finale.”


So oder so ähnlich hätten wir Zack Snyders DCEU im Kino erleben können. Aus heutiger Perspektive wären Justice League 2 und 3 durchaus mit Avengers: Infinity War und Avengers: End Game zu vergleichen. Aber bedenkt – beide der Filme waren damals noch lange nicht erschienen. Wer sich jetzt fragt, wo der morgen erscheinende Zack Snyder’s Justice League in dieser Vision Platz findet: Vermutlich wird die vierstündige Mega-Justice-League-Fassung Teile aller drei erdachten Justice-League-Filme beinhalten. Zumindest wird Darkseid bereits in diesem Film bereits die Rolle des primären Antagonisten spielen.

Was haltet ihr von Snyders Vision? Hättet ihr diese Ideen gerne auf der großen Leinwand gesehen?