Drehbuch: Michael Mann
Schnitt: Dov Hoenig
DarstellerInnen: James Caan, Tuesday Weld, Willie Nelson, Jim Belushi
Sprache: Englisch
Länge: 2h3min
Genre: Thriller, Crime, Action
Wenn über die besten Exemplare des Karrierestarts eines Regisseurs in der Filmgeschichte gesprochen wird, treffen viele Teilnehmer der Konversation auf einstimmige Ergebnisse. Reservoir Dogs von Quentin Tarantino, Der mit dem Wolf tanzt Kevin Costner, American Beauty von Sam Mendes aus vergangenen Tagen oder etwas aktuellere Filme wie Hereditary von Ari Aster, Nightcrawler von Dan Gilroy oder Get Out von Jordan Peele, die Liste ist lang. Und obgleich jeder genannter Filme ein heißer Anwärter auf den Titel ist und seine Anerkennung mehr als verdient hat und es sich hierbei nicht wie bei den Beispielen um ein Erstlingswerk handelt, mag es den ein oder anderen vielleicht doch etwas wundern, dass das Kinodebüt von Michael Mann nirgendwo in der Diskussion auftaucht. Schon zu Beginn seines filmischen Schaffens zeugte die Umsetzung von einer Handschrift, welche sich nicht kopieren und unter jedes Dokument setzen lässt. Aber unvergleichbar ist nicht gleichbedeutend mit unfehlbar. Was ist es also, das diesem Film unter der anfangs vorgestellten Konkurrenz ein Mitspracherecht gibt?
Der Stil Manns wurde bereits erwähnt und ist eines, was der Leinwand jedesmal eine gewisse Magie einhaucht. Wenn es darum geht, das Publikum über den sinnesgeleiteten Weg mittels Aussehen und Ausdruck zu einem Film zu führen, dann haben die Verantwortlichen ein grundlegendes Prinzip des Filmemachens verstanden und auch direkt gekonnt umgesetzt. Geht es aber nun darum, das Publikum über diesen Pfad nicht nur heranzuführen, sondern gnadenlos in seine Welt aufzusaugen, arbeitet man schon mit einem anderen Kaliber des Metiers. Genau darin ist Michael Mann ein Ass.
Lichtüberflutete, im schummrigen Dunkel der Finsternis umhertanzende Images sorgen für eine besondere Form von Beziehung zwischen dem Paar Augen des Zuschauers und der Linse der Kamera. Die von Kriminalität getränkte Atmosphäre entspringt ihrer eigenen Bildsprache. So kreiert Mann vor der Kamera einen wachen, das Augenpaar konsumierenden Fiebertraum. Seine Fiktion atmet. Die nassen Straßen des Nachtlebens, hupende Autos und den Bürgersteig erhellende Bistros stehen auf der Tagesordnung. Spätestens dort macht sich bemerkbar: Man befindet sich mittendrin in einem Crime-Thriller und die Stimmung droht zu explodieren.
Thief – Der Einzelgänger erzeugt eine unglaubliche Spannung, ohne dass wahrlich etwas passiert. Und das resultiert nicht allein aus genanntem Punkt, dass es sich um einen inszenatorischen Geniestreich mit einer atemberaubenden Neo-Noir-Audiovisualität handelt. In dem Film schlummert nämlich noch viel mehr, als eine gefährliche Schönheit. Die Storyline erzählt von Frank, ein Ex-Inhaftierter und nach seiner Entlassung weiterhin als Dieb tätiger Krimineller. Wer an der Stelle eine stereotype Erzählung erwartet, die lediglich dem zweckmäßigen Unterhaltungswert dient, hat im Falle dieses Filmes als Erwartungshaltung eine falsche gewählt.
Vieles in dieser Geschichte hat seine Bedeutung. Manns präferierte Hauptfigur wird meistens von einer Persönlichkeit gezeichnet, die auf ihrem Fachgebiet eine Koryphäe darstellt. Frank ist ein Profi. Er ist schlau. Er ist geschickt. Er ist ein astreiner Räuber. Als Mensch aber, ist er verwundbar. Daraus züchtet der Film eine Charakterstudie mit einer Menge Tiefgang und emotionaler Schlagkraft. Frank, zur Perfektion von James Caan verkörpert, ist ein charismatischer Antiheld, auf dessen Seite man sich aufgrund seiner Einstellung und Taten nicht unbedingt stellen möchte, sich aber auch nicht vollends abwenden will. Mit welchem Gespür die Dramaturgie des Filmes zu Wort kommt, ist bemerkenswert. Ein umsichtiger und vielschichtiger Tauchgang in das Dasein eines Mannes, der weiß, was er sein könnte und es auch mit voller Herzenskraft versucht zu erreichen, jedoch immer wieder von der zu seiner Familie gewordenen Routine zurückgezogen wird.
Es ist erstaunlich zu begutachten, dass Michael Mann sich bereits in seinem zweiten Spielfilm so koordiniert und orientiert durch sein Element bewegt. Das Resultat verfügt dabei über das Potenzial derartig mit den Konventionen seines Genres und der Erwartung des Zuschauers zu spielen, dass es ihm letztendlich mehr als zugutekommt. Die fantastische Optik, die karätige Playlist mitreißender Synthesizer-Soundtracks und das stimmige Setting eröffnen ein makellos in Szene gesetztes Feuerwerk von enormer Wucht. In der Erzählung steckt hier jedoch das wahre Glanzstück. Ein facettenreiches, niederschmetterndes und komplexes Drehbuch rundet das Werk beinahe zur Vollkommenheit ab. Zumindest für eine Nominierung als eines der besten Frühwerke in der Filmgeschichte, sollte ein solches Resümee auf alle Fälle reichen.