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Als eines Tages ein rätselhaftes Paket auf die Insel Lummerland geliefert wird, sind alle vier Bewohner in heller Aufregung: Der kleine Jim Knopf (Solomon Gordon) ist aus Versehen dort angekommen und wächst auf der Insel heran. Dann geht er bei Lokomotivführer Lukas (Henning Baum) in die Lehre. König Alfons (Uwe Ochsenknecht) macht sich Sorgen, da er glaubt, Lummerland wäre überbevölkert. Er will Emma, die Lokomotive von Lukas, stilllegen. Doch das lassen Lukas und Jim Knopf sich nicht gefallen…
Regie: Dennis Gansel
Drehbuch: Andrew Birkin, Michael Ende, Sebastian Niemann, Dirk Ahner
Kamera: Torsten Breuer
DarstellerInnen: Henning Baun, Solomon Gordon, Uwe Ochsenknecht, Annette Frier, Christoph Maria Herbst
Land: Deutschland
Sprache: Deutsch
Länge: 1h49min
Genre: Familie, Fantasy, Adventure
Verfügbar auf:
Netflix DE

Mit wenig verbinde ich so viel Nostalgie wie mit der Augsburger-Puppenkiste-Version von Jim Knopf aus den 60er Jahren. Die Abenteuer von dem Findelkind Jim, dem Lokomotivführer Lukas und seiner Lokomotive Emma hatten so viel Charme und Herz, dass es eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist, dem als Realverfilmung gleich zu kommen. Dabei haben die Macher alles reingesteckt, was ging, vor allem finanziell, so ist die 2018er-Version von Jim Knopf mit ihrem Budget von knapp 25 Millionen Euro eine der teuersten deutschen Produktionen aller Zeiten. Das Team machte aus diesem Geldhaufen zweierlei: Zum Einen investierte es massiv in das Set Design, was einer der besten Punkte der Neuverfilmung ist. Lummerland mitsamt seiner zwei Berge, seines kleinen Schlosses und dem Laden von Frau Waas, die chinesische Stadt Mandala mitsamt ihrem goldenen Prunk und die Kostüme von so ziemlich jedem, der in diesem Film auftritt – das Produktionsdesign ist fantastisch und farbenfroh, strotzt nur so vor Liebe fürs Detail und zeigt, wie sehr die Mitwirkenden ihr Herz reingesteckt haben. Allein das ist der größte Faktor dafür, dass dieses kindliche, märchenhaft-abenteuerliche Gefühl der Vorlage beschworen wird und damit dem Vorbild näher kommt als ich es mir je hätte vorstellen können. Zum anderen wurde das Geld in die Spezialeffekte investiert. Die wirken leider häufig nicht so erstklassig wie sie angepriesen werden und entziehen mit ihrer Künstlichkeit immer mal wieder etwas von dem liebevollen Charme, den der Film eigentlich transportiert. Gerade für eine deutsche Produktion braucht sich Jim Knopf aber nicht vor der Konkurrenz verstecken, im Gegenteil sogar. Insgesamt ist die optische Inszenierung größtenteils sehr gut. Alle Punkte auf der Reise von Jim, Lukas und Emma bleiben dem Roman absolut treu.

So sah Jim Knopf früher aus! ©Augsburger Puppenkiste

Herz für das Projekt kann man zweifellos auch den Darstellern zusprechen. Nach klassisch guten Schauspieler-Leistungen sucht man hier zwar lange, so soll es aber auch sein. Stattdessen spielen alle ein völlig überspitztes Schauspiel und werden damit ihren ebenso überspitzten Charakteren, wie dem König Alfons der Viertelvorzwölfte, Oberbonze Ping Pong, Herr Ärmel oder dem Halbdrache Nepomuk, zweifellos gerecht. Dass einige Schauspieler dabei nachträglich synchronisiert wurden, merkt man glücklicherweise kaum. Dieses Over-the-top-Feeling der Charaktere ist grundsätzlich auf den ganzen Film zu übertragen. Getreu der Vorlage ist in Jim Knopf alles weit fern von jeglicher Normalität und Bodenständigkeit. Alles ist völlig absurd und überspitzt, was für einen charmant-kitschigen Vibe sorgt. Der kommt nicht nur durch die Schauspieler auf, sondern auch durch die übersättigten Farben überall, den flachen Witz, der überall im Drehbuch vorzufinden ist, und steckt auch viel in Kleinigkeiten wie beispielsweise in den völlig beknackten, naiv-doofen, aber verdammt witzigen Namen, die Michael Ende allem verpasst hat. Insgesamt kommt die Neuverfilmung von Jim Knopf also dem Flair der alten Augsburger-Puppenkiste-Version wahnsinnig nahe. Einiges wirkt einfach nicht so wie früher (was aber auch an meinem Alter liegen kann), anderes sieht durch das CGI einfach zu künstlich aus, und mehr als nur ein paar Mal wirkt dann doch alles zu aufgesetzt sympathisch und komisch. Insgesamt kann man hier aber durchaus zufrieden sein.

Wo Jim Knopf dann so seine Probleme zeigt, ist in der Handlung an sich und wie sie zusammengeschnitten ist. Wo man Produktionsdesign und Schauspiel die Liebe zum Roman und der Serie stets anmerkt, wirkt diese Liebe beim Plot wie verloren. Die Macher wollten offensichtlich den gesamten Inhalt in möglichst wenige Minuten quetschen. Immer wieder scheinen ganze Szenenfolgen einfach zu fehlen, ein wirklicher Fluss in der Geschichte existiert einfach nicht. Das Erzähltempo ist viel zu sehr auf stakkato getrimmt und wirkt meistens, als wäre der ganze Film wie wild heruntergeschnitten worden. In einer Fernsehserie mag das funktionieren, in einem zusammenhängenden Spielfilm leider nicht. Die schnellen, übergangslosen Szenenwechsel lassen den Zuschauer nie wirklich die Lage und das Gefühl der Szenen erfassen und lassen einen wirkliche Emotionen stets vermissen. Eine halbe Stunde länger hätte dem Film sehr gut getan, und wenn das für das Genre nicht möglich gewesen wäre, wäre – ich glaube kaum, dass ich das sage – eine Trennung der Geschichte in zwei Teile wohl auch eine Option gewesen. Gefeit ist Jim Knopf auch nicht vor teils massiven Logiklücken im Skript, die man irgendwann einfach nicht mehr in die Schuhe der Vorlage schieben kann. Klar, es ist ein Kinderfilm und wirklich ernst wird sowieso nichts genommen, was den Kritikpunkt auch ziemlich klein geraten lässt, sauer aufstoßen tut es ab und an aber dennoch. Genau wie der Schnitt, bei dem drei vier Mal wirklich dicke Fehler drin sind, die selbst weniger schnittaffinen Menschen wie mir extrem aufgefallen sind.

©Warner Bros.

Alles in allem kann man aber recht zufrieden sein mit Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer. Man merkt in zahlreichen Aspekten das viele Herz, das in das Projekt geflossen ist und der sympathisch-bescheuerte, märchenhafte Charme der Vorlagen ist hier überraschend stark wiederzuerkennen. Zu viele tolle Szenen gibt es, um dem Film wirklich für etwas böse zu sein: Alles um den Halbdrachen Nepomuk, die gesamte Eröffnungsszene auf Lummerland oder das kleine Kindeskind Ping Pong… Trotzdem kommt man auch um die Schattenseiten nicht herum. Die meisten Szenen sind zu kurz, zu abrupt zusammengeschnitten und lassen kaum Raum für Reflektion oder Emotion. Das übermäßig eingesetzte CGI und die überbordende Sympathie des Films lassen ihn hier und da etwas zu aufgesetzt und künstlich wirken und der Schnitt ist mehr als gewöhnungsbedürftig. Trotzdem: Der Charme überwiegt, die Nostalgie siegt. Für Liebhaber der alten Serie beziehungsweise des Buchs und für Kinder wird Jim Knopf und der Lokomotivführer gefundenes Feel-Good-Fressen sein.