Drehbuch: Àlex Pastor, David Pastor
Kamera: Pau Castejón Ubeda
Schnitt: Martí Roca
DarstellerInnen: Javier Gutiérrez, Mario Casas, Bruna Cusí, Ruth Díaz
Land: Spanien
Sprache: Spanisch
Länge: 1h43min
Genre: Drama, Thriller
Nach dem erst kürzlich erschienenen El Hoyo (Der Schacht) landete innerhalb von nicht mal einer Woche bereits der nächste spanische Thriller auf Netflix. Schon von der Plot-Synopsis dieses Filmes fühlte ich mich sehr an ein Meisterwerk aus vergangenem Jahre 2019 zurückerinnert: Bong Joon-hos Parasite. In dem Sinne stand Dein Zuhause Gehört Mir – im Originaltitel Hogar – einer unmöglich einzuholenden Erwartung entgegen diesem inoffiziellen Kontrahenten in irgendeiner Weise die Stirn bieten zu können. Tatsächlich wirkt der Konflikt oftmals sehr Parasite-esque. Parallelen zwischen diesen beiden Filmen zu ziehen ist genauso unfair wie unumgänglich, dafür bleibt die Grundidee zu ähnlich. Trotzdem schafft es Dein Zuhause Gehört Mir ein recht eigenständiges Profil abzugeben, denn er schlägt basierend auf der Prämisse einen ganz anderen Weg ein, der den Vergleich zu Parasite von skeptisch-kritisch in interessant-lobenswert umwandelt.
Hier trifft ein High Profile-Konzept auf eine Low-Key-Charakterstudie und man darf sich davon überraschen lassen, wie gut diese gegensätzlichen Komponenten miteinander synergieren. Es entsteht ein Thriller mit unerwartet kreativen Spannungselementen, die jedesmal aus dem Nichts und völlig unerwartet daherkommen. Diese werden im Handlungsverlauf sogar derart geschickt eingebaut, dass vereinzelte besagter Spannungselemente wie ein kleiner Twist gewertet werden können.
Das komplette Konstrukt ist um den Hauptcharakter Javier Muñoz gesponnen, der als stützendes Grundfundament dient. Es handelt sich um einen sehr komplexen, fantastisch ausgearbeiteten Charakter, dessen oberflächliche Prinzipien einem früh deutlich werden, ohne dabei jedoch am Anfang unsympathisch zu erscheinen. Diese Figur durchlebt eine Entwicklung, wie sie radikaler und eindringlicher nicht sein könnte. Es wird ein unberechenbarer und eiskalter psychologischer Zerfall einer materiell geleiteten Person entfesselt, die aus ihrem gewohnten Lebensstandard gerissen wird und zeigt, wie weit sie geht diesen um jeden Preis wiederzuerlangen. Diese mentale Abwärtsspirale wird von Hauptdarsteller Javier Gutiérrez in einer bravourösen Glanzleistung gemeistert. Er reichert sich viele verschiedene Facetten an, geht durch eine auf den Charakter angepasste Detailarbeit in manchen Szenen unter die Haut und entfacht durch seine bloße Präsenz ein unheimliches Unbehagen mit einer hypnotisierenden Nebenwirkung, die einen richtig an den Werdegang dieser Figur fesselt.
Einzig zu bedauern ist in der Hinsicht der Weg, bis diese Entwicklung erst anfängt Haken zu schlagen. Die ersten dreißig Minuten dienen rein zum Charakteraufbau, woraufhin der erste entscheidende Schritt vom Drama in den Thriller gewagt wird, in den sich dann auch immer mal wieder repetitive und vermeidbare Längen einschleichen. Dein Zuhause Gehört Mir wählt ein extrem langsames, zehrendes Erzähltempo, das sich oft darin beweisen kann Spannung aufzubauen, oftmals aber genauso träge vor sich hinschwitzt ohne gewisse Handlungsstränge in ihrer Sternstunde aufgehen zu lassen. Das Pacing des Filmes bleibt konsequent atmosphärisch und effektiv, erzähltechnisch aber nicht unbedingt optimal.
Die ruhige Kamera zeigt mit vielen langsamen Schwenks genug Ambiente, um seine Atmosphäre aufzubauen und seinen thematischen Tiefgang optisch darzustellen sowie zu belegen. Die teuren Räumlichkeiten wirken authentisch luxuriös, wohingegen die schlichteren Behausungen einen sichtbaren Kontrast geben. Qualitativ hinterlässt die Kamera einen hochwertigen Eindruck und fügt der Geschichte eine ästhetische Persönlichkeit hinzu. Daneben weiß die Cinematographie noch einen erzählerischen Mehrwert aus sich herauszuziehen, denn inszenatorisch hat man sich nicht nur an einer optisch stimmigen Kameraführung orientiert, sondern wiederkehrende Einstellungen und visuelle Stilmittel als Narrativ verwendet. Zur Vertiefung in die Gedankensphäre der Hauptfigur, wie er seine Umgebung wahrnimmt und inwiefern sie in diesem Moment seinen Vorstellungen entspricht wird mit cleveren Ideen und passender Musik ein greifbarer Übergang in die Kamera vermittelt.
Dein Zuhause Gehört Mir ist in einem Wort bitterböse. Der Hauptcharakter und dessen gruselige Handlungen machen einen effektiven Thriller, der über eine hohe Spannungskurve verfügt, welche gelegentlich an den falschen Momenten etwas pacinggestört daherkommt. Kamera und Schauspiel bekräftigen Dein Zuhause Gehört Mir zu einem sehr interessanten Thriller der etwas ungewöhnlicheren Art, wie man zunächst glauben mag. Filmisch gelungen inszeniertes Unbehagen verpackt in eine glaubwürdige Instabilität eines Mannes, der eine gewisse Vorsicht dahingehend suggeriert, wer dein Vormieter war, was du ihm weggenommen hast und wie er es von dir zurückfordern wird.
SEIT DEM 25. MÄRZ AUF NETFLIX VERFÜGBAR