2015 war es der Mad Max: Fury Road, 2017 Logan – The Wolverine, zwei Jahre später der südkoreanische Parasite und diesen März Zack Snyders Justice League unter dem Titel Justice is Gray: Seit einiger Zeit werden zwar nicht immer mehr, dafür stetig Schwarzweißfilme produziert, darunter auch Oscar preisgekrönte. Sogar einigen erst in Farbe gedrehten Filme wird die Ehre zuteil, ein zweites Make-Up verliehen zu bekommen. Eine Brise zeichnet sich ab.

Doch warum eigentlich? Jährlich erscheinen Hightech-Fernseher mit immer breiteren Farbspektren und das Kino selbst lebt längst von jener bildgewaltigen Kraft der Farbenpracht. Eigentlich dürfte alles gegen Schwarzweißfilme sprechen. Sie sind das Überbleibsel einer Ära des Filmemachens, das heute als langsam, schal und rückschrittlich gilt, zumindest in einigen Kreisen.

Diese Klassiker von früher sind mindestens 70 Jahre alt. Keine romantischen in Rot getauchten Sonnenuntergänge finden sich dort – wer würde schon freiwillig die strahlend orangene Wüste aus Mad Max: Fury Road mit all den explodierenden Fahrzeugen gegen eine entsättigte eintauschen?

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Farbe kann Details verdecken. Hautporen, Sand, Staub, Schweiß – vieles davon zeigt sich auch in George Millers Kinofassung von Fury Road, doch die Farbe und die später integrierten Filter mit massiver Sättigung in der Nachbearbeitung entziehen einigen Objekten oder Körpern Strukturen. Wenn Charlize Theron in ihrer Rolle der Furiosa im gewaltigen Truck durch das Ödland der vierten Mad Max-Realisierung brettert, dann wirbelt der Wüstenstaub in der Schwarzweißvariante voluminöser durchs Bild – und mit ihm hat es den Anschein, als könne man jedes Sandkorn erkennen.

Während das Orange in der Farbversion meist die Form von Objekten zu zeigen weiß, ist es der mit puren Kontrasten arbeitenden “Black and Chrome”-Edition möglich, deren Beschaffenheit deutlicher in den Fokus zu rücken. Das Bild wird plastischer – auch haptischer. Man hat das Gefühl, die Bilder mehr zu fühlen oder gar dazu in der Lage zu sein, sie zu schmecken. Glänzend weiße Explosionen strahlen so über die Bildfläche. Jede Ausbeulung ist durch die kontrastreichere Einstellung zu erkennen. Die Wucht ist spürbarer, ihre Verheerung besser auszumalen, der Effekt wunderschöner, exquisiter.

Unsere Augen sind an Farbe gewöhnt und gerade deswegen schaffen es Bilder in Schwarzweiß, neue Betrachtungen zu ermöglichen. Kontraste machen den Unterschied, wenn bewusst eingesetzt. Details werden aufgedeckt, die vorher nur vermutet werden konnten, aber eigentlich die ganze Zeit durch die Farbschicht schienen oder in unserer Wahrnehmung untergingen. Mit der richtigen Ausleuchtung gelingt George Miller so in Fury Road die Greifbarmachung von kinetischer Energie noch viel mehr als der Kinoversion.

Auch Logan – The Wolverine profitiert von seiner alternativen Aufmachung. Den gealterten X-Men, gespielt von Hugh Jackman, im kontrastreichen Zwielicht zu begutachten, gibt der düsteren Geschichte auch die passendere Atmosphäre. Einige Figuren sind dadurch viel bedrohlicher und das pechschwarze Blut verschmilzt in den brutalen Actionszenen gern mit der Dunkelheit, als würde sich die Stimmung von Gewalt nähren. Eine andere Bildsprache lässt sich dann ausmachen, welche das Innere der Figuren besser nach außen übersetzt, obwohl der dramaturgische Inhalt – das Drehbuch – natürlich unverändert bleibt.

Dass sich jedoch nicht immer eine Schwarzweißvariante eines Farbfilms in sämtlichen Belangen anbietet, zeigt sich am aktuellsten Fall. Als der Regisseur Zack Snyder dieses Jahr seine vierstündige Vision vom 2017 veröffentlichten Film Justice League, jetzt unter dem Titel Zack Snyders Justice League veröffentlichte, erblickte bald eine Schwarzweißfassung, Justice is Gray, das Licht der Welt – auf seinen Wunsch. Doch als Snyder den Film vor fünf Jahren drehte, war nie der Gedanke eines solchen Unterfangens möglich.

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Justice is Gray ist als ein Experiment entstanden, das so nie vorher geplant war. Leider ist das dem Werk auch anzusehen: Bereits beim Dreh hätte die Beleuchtung viel ausgefeilter eingesetzt werden müssen. Kontraste sucht man demnach oft vergeblich und somit auch das Argument des im Nachhinein monochrom modifizierten Filmmaterials.

Wenn die meiste Zeit sowieso computeranimierte Bilder den Hintergrund dominieren, brauchen unsere Augen auch nicht die unechte Beschaffenheit zu hinterfragen oder neu zu entdecken. Der Bildschirm zeigt damit buchstäblich nur Grau oder lässt sämtliche Details bei geringen Schwarztönen untergehen, eine klare Bildzeichnung bleibt aus. Dennoch muss der Version einiges zugutegehalten werden: Das sehr entsättigte Bild der Farbversion war schon immer eher ein Kompromiss als ein künstlerischer Kniff und die mitunter missglückten Spezialeffekte reißen nicht mehr aus dem Geschehen heraus, verschleiern ihren unfertigen Zustand.

Klar ist: Es kommt auf die vorherige Planung an. Miller träumte seit den Dreharbeiten zu Mad Max: Road Warrior 1980 von einer farblosen Version. Die hat er sich mit Fury Road erfüllt, hielt sich außerdem von Beginn an die Option frei, später Stiländerungen vorzunehmen. Dann kann sich das Resultat mehr als sehen lassen, wenn bereits vorher vor allem die Beleuchtung passend eingestellt wurde – für beide Möglichkeiten. Bei den im Nachhinein kreierten, nicht sofort geplanten Fassungen ist der Erfolg praktisch vom Münzwurf abhängig. War die Beleuchtung vorher zufällig dafür angeglichen worden oder nicht?

Zum Glück ist Logan – The Wolverine auf die richtige Seite gefallen. Die Münze meinte es gut mit dem Superhelden-Neo-Western in Film-noir-Ästhetik, während Justice is Gray auf der Schattenseite Platz nehmen muss. Dennoch: Anhand der Intention eines Künstlers können Filme ihr visuelles Gewand verändern, fernab von verschiedenen Schnittfassungen, und dadurch manchmal noch besser werden als ihre Ursprungsversionen, selbst dann, wenn das Original schon an Perfektionismus grenzt.

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Jedoch lohnt sich nicht jeder Farbfilm in einer Schwarzweiß-Variante. Deswegen ist eine Erscheinung dieser Spezialeditionen weiterhin etwas Rares. Pro Jahr dürften es nicht mehr als eine oder zwei namenhafte Produktionen sein. Dafür sind schlicht zu viele Filme auf Farben angewiesen und nach ihnen kodiert. Wer würde schon gerne in Godzilla vs. Kong oder in Blade Runner 2049 auf die wunderschönen Neonlichter verzichten? Sollte man jedoch mal von einer Veröffentlichung mitbekommen, könnte Großes bevorstehen, womit eventuell eine Neuentdeckung möglich wird von dem, was vorher weniger auszumachen war: Beschaffenheit – die Aufdeckung der äußeren Wirklichkeit.