©RLJE Films
Drehbuch: Sam Peckinpah, Walon Green, Roy N. Sickner
Schauspieler*innen: William Holden, Ernest Borgnine, Robert Ryan
Sprache: Englisch
Länge: 2h25min
Genre: Western
Sogar vor dem großen Raub noch ein Gentleman. Obwohl die Stimmung gleich zu Beginn geladener nicht sein könnte, begleitet der Gesetzlose Pike Bishop (William Holden) eine ältere Dame über die Straße, damit sie nicht seinen bevorstehenden Überfall auf die Eisenbahngesellschaft mit ansehen muss. Was sich Regisseur Sam Peckinpah gleich in den ersten Minuten zu Nutze macht, ist eine der beliebtesten Drehbuchregeln: Lass den Protagonisten bei seiner Einführung etwas Gutherziges tun, um ihn für die Filmschauenden sympathisch zu gestalten. Charmant ist er, dieser hagere, aber in Würde gealterte Pike. Nur kann man zu dem Zeitpunkt noch nicht erahnen, wie sich das Blatt wenden wird.
Dieses Unbehagen vor dem Raubüberfall lässt sich nur unterbewusst wahrnehmen und begleitet über die gesamte Laufzeit hinweg jedes Treiben vor der Kamera. Denn Peckinpah erzählt eine Geschichte voller Verlust, hoffnungsloser Taten und Brutalität. Kein Wunder. Ein Jahr nachdem die USA in den Vietnamkrieg eingetreten sind, hinterfragt das Land sich selbst und somit auch das einstige Steckenpferd des amerikanischen Kinos – den Western. Seine Blütezeit ist vorbei, jetzt rollt der Spätwestern über die Leinwände und setzt sich kritisch mit den Grundwerten des Genres auseinander. Jene Ansätze bestimmten die Handlung von The Wild Bunch.
Sinnbildlich stehen die zum Einritt von Pikes Bande geschnittenen Kinder. Sie drehen Skorpione immer wieder auf den Rücken, währenddessen eine riesige Ameisenarmee auf sie einprasselt. Egal was Pike versuchen wird, es wird ihn ständig wieder auf den Rücken befördern – er kann der aus Gewalt bestehenden Abwärtsspirale schlicht nicht entkommen, da kann er noch so moralische Ideale besitzen, Gewalt wird er ja doch anwenden müssen. Freundschaft, Heldentum, Abenteuerfreude, Männlichkeit, einfach jedes Kernmerkmal des Westerns wird in Frage gestellt, bis am Ende nichts mehr von den Werten übrigbleibt, sie schon davor schier fehl am Platz wirkten. Beim Voranschreiten weiterer Szenen wird klar: Peckinpah inszenierte keine Ode an den Western, es ist eine Abrechnung.
Hier kämpfen gescheiterte Existenzen einer vergangenen Ära um ihre Selbsterhaltung. Denn letztendlich schließt Pike dann doch eine Abmachung mit Leuten, die er zu verabscheuen beginnt. Die daraus resultierende Konsequenz bedeutet den Untergang eines zurückliegenden Zeitalters – und mit ihm das der Hauptperson. Der amerikanische Traum ist tot, wird als Heuchelei entblößt. So schwindet auch die eingangs inszenierte Sympathie für den “Westernhelden” immer mehr. Sich im Grenzland zu beweisen, Lebensraum zu erobern und Ureinwohnern streitig zu machen, nur sich selbst gerecht sein zu müssen – schlicht Männlichkeit im amerikanischen erzkonservativen Sinne – führt doch nur wieder zu Schießereien und Beerdigungen.
Nirgendwo wird dieses Elend besser abgebildet als dem in jedem Western zu findenden Showdown am Schluss. In The Wild Bunch sind nur diejenigen Gewinner, die nicht an den abschließenden Feuersalven beteiligt waren, sich nicht bewiesen haben und ihre Ideale zurückschraubten. Letztendlich transformiert Pike vom zweifelnden Outlaw zum verzweifelten. Wenn die Credits den Bildschirm bedecken, bleibt nichts anderes mehr übrig als vor Peckinpah den Hut zu ziehen. Solch eine Ehrlichkeit durch realistische Szenerien vor allem in einem Western vorzuweisen, das ist wirklich für das Genre ungewöhnlich.
9.0 Punkte
Fazit
Mit schonungsloser Inszenierung gelingt es Peckinpah, die naiven und gefährlichen, dem Western innewohnenden, Ansichten regelrecht zu demaskieren. The Wild Bunch ist eine selten gesehene Abrechnung mit dem gesamten Genre, kontert die heuchlerische Glorifizierung von Westernspektakeln gekonnt mit realistischerer Darstellung und purer Brutalität.